Traumkristalle
Bewußtseins nennen, und du hast auch das Bewußtsein in seinen höheren Formen aufgehoben. Glaubst du, daß der innere Bewußtseinsinhalt einer Welt, welche einem äußeren Zuschauer, wie uns, nur als eine unzählbare Summe geradlinig nebeneinander durch den Raum ziehender Atome erscheinen würde, daß dieser Bewußtseinsinhalt noch eine Welt genannt werden kann? In diese Form ohne wechselnden Inhalt muß die Welt umsetzbar sein!“
„Und wenn du selbst mit dieser Theorie einer möglichen Selbstvernichtung der Welt recht hättest, die doch übrigens nur in einer unabsehbaren Zukunft zu realisieren wäre, wenn wir den leicht zu erhebenden Einwand ganz außer acht lassen wollten, daß ja doch unser menschliches Bewußtsein nicht das einzige seiner Art in der Welt sein dürfte und daß immer und immer Formen des Seins existieren werden – wie gesagt, abgesehen von all diesem, so bist du doch immer noch die Begründung deiner Geringschätzung unserer Kunst uns schuldig geblieben. Sind wir es denn nicht, die in diesem unentfliehbaren Mechanismus uns den Rest von Freiheit bewahren, der allein das Leben erträglich macht? Sind wir es nicht, die der Menschheit die Rettung aus der niederdrückenden Schwere der Wirklichkeit in das heitere Reich des Ideals allein ermöglichen, indem wir alle edleren und zarteren Regungen des Gemütes leiten und beherrschen? Nur durch die Kunst ist es möglich, Stimmungen zu erzeugen, das heißt einen Gesamtzustand unseres Seelenlebens hervorzurufen, in welchem wir in dem Lustgefühl des in sich abgeschlossenen Empfindens gewissermaßen erfahren, was es heißt zu sein.“
„Diese Rolle eben, welche die Künstler jetzt spielen, werden künftighin die Physiologen übernehmen. Wenn ihr mit euren Kunstwerken die Menschen in eine Stimmung versetzen wollt, kommt ihr mir vor wie ein Arzt, der die Aufgabe hat, einen Patienten von einer unverdaulichen Speise zu befreien, und ihn zu diesem Zwecke eine Seereise unternehmen läßt, damit er die Seekrankheit bekomme. Wie würde dir ein solcher Arzt gefallen? Du würdest sagen, warum gibt der Mann nicht lieber ein direktes Brechmittel? Ihr Künstler seid in derselben Lage – nur kennt ihr eben das einfache, von innen wirkende Mittel nicht. Wir werden es auffinden, das heißt, wir werden zeigen, wie man das Gehirn unmittelbar in jenen Zustand versetzen kann, den ihr nach großer Mühe vermittels der Sinne durch eure Kunstwerke hervorzurufen versucht. Und darum brauchen wir weder dein Grunzulett noch deine Riechstückchen.“
„Dann muß ich dir freilich sehr überflüssig vorkommen“, erwiderte Aromasia gereizt. „Du redest, als wärest du ein Zauberer, der ohne weiteres geschehen läßt, was er will. Es soll mich nicht wundern, wenn du nächstens behauptest, man werde noch lernen, sich unsichtbar zu machen!“
„Und das behaupte ich auch.“
„Ich verstehe dich nicht mehr.“
Oxygen zuckte die Achseln. Dann sagte er: „Von meiner Überzeugung kann ich nicht abgehen; und so gut ich an die dereinstige Selbstvernichtung der Welt und an die Zukunftslosigkeit der Ododik glaube, ebensogut glaube ich, daß die Zukunft die Kunst des Unsichtbarwerdens erfinden wird.“
„So wünschte ich, wir lebten in dieser Zukunft; dann würde ich mich sofort unsichtbar machen, wenn du so abscheulich sprichst.“
„Aromasia, jetzt verstehe ich dich nicht mehr. Ich hoffe, du scherzest nur.“
„Es scheint, daß wir uns nie verstehen werden. Solche Behauptungen kann ich nicht ertragen. Sie widersprechen einem innersten Wesen.“
„Ich begreife dich auch nicht mehr“, fiel Magnet ein. „Wie kannst du im Ernste solche Ansichten aussprechen? Jede bürgerliche Existenz müßte dann aufhören, seiner Person, seines Eigentums wäre niemand sicher. Ich sehe in eine Sittenverderbnis ohnegleichen! Wenn ihr ‚Nüchternen’ doch nicht in so törichter Weise glaubtet, das Geheimnis des Seins von seinem Schleier befreien zu können. Sich unsichtbar machen! Merkt ihr denn nicht, daß ihr dem Reiche der Märchen und Hexereien zusteuert? Daß ihr in selbstverschuldetem Kreise dazu gelangt, eure eigenen Behauptungen von der Gesetzmäßigkeit der Natur aufzuheben? Ihr vernichtet euch selbst, ihr Kurzsichtigen!“
„Wo ist nun die Kurzsichtigkeit“, rief Oxygen in heftigem Tone, „bei euch, die ihr glaubt, mit Ododion-Gestänker die Welt glücklich zu machen, oder bei uns, die wir bewußt sie der Menschheit zu Füßen leben? Allerdings muß es unser letzter Zweck sein,
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