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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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tiefe Gedanken, wie sie der Menschheit noch nie erblüht waren –
    Ja, das war überhaupt ein herrlicher Tag!
    Wie er an dem Hause vorüber kam und in das Zimmer spähte, wo die beiden Dichter miteinander sprachen. Das war eine neue Welt!
    Der Große, dem die Götteraugen so siegreich strahlten, als schaue er die Zukunft vor sich wie eine offene Tempelhalle, – das war Goethe.
    Und der andere, der den Kopf in die Hand stützte und nachsann, – das war Schiller.
    Und vor ihm das aufgeschlagene Buch mit dem gelehrten Titel, – das war von Kant.
    Wovon sprachen sie doch? O, er erinnerte sich wohl. Er hatte ja ein Jahrhundert Zeit gehabt, darüber nachzudenken.
    Von der Menschheit sprachen sie, von dem großen Jahrhundert, das mit dieser Nacht vorübergerauscht war. Von der Menschheit, die nun zum ersten Male mündig geworden sei, da sie das neue Wort begriffen hatte: „Bestimme dich aus dir selbst!“
    Ja, sie hatte sich aus sich selbst bestimmt, den Spukgeist vertrieben und die lebendige Natur befragt, die Millionen Welten, die draußen im unendlichen Nachtraum strahlten, die grünen Fluren und das wogende Meer und den Berge gebärenden Erdball.
    Und sich selbst hatte sie befragt, nach ihrem Recht und nach ihrer Pflicht. Da klang aus ihrer eigenen heiligen Tiefe der befreiende Ruf: Du sollst! Handle gut aus Achtung vor deinem Gesetz! Handle gut um der eigenen Würde willen, die dem Menschen gebührt, einem jeden! Das Unabänderliche und das Unerreichbare, vereine es in dir, daß es golden leuchte im freien Spiel der Seele! Verschmilz es im schönen Scheine zum Ideal, daß es dich packe mit der warmen Wirklichkeit des Gefühls, daß es dich durchflute und läutere mit dem heiligen Schauer, der dem Augenblick Dauer verleiht! Vertrauend blick hinein ins Gewirr der Arbeit, daß du das Ganze schon siehst, wo noch die Rüststücke splittern, daß du selbst dich aufbaust zur Menschenhöhe!
    So schauten diese Männer in das kommende Jahrhundert.
    Und das Jahrhundert schaute auf sie, auf die Unsterblichen, die einer neuen Menschheit ihren Odem eingehaucht hatten.
    Glückliches Land, das diese Männer sein nennen durfte! Glückliches Jahrhundert, an dessen Wiege diese Götterpaten die unvergänglichen Gaben zurückließen, die drei ewigen Lampen der Freiheit, der Würde, der Schönheit – – –
    Wieder sind hundert Jahre vorüber. Auf dem Werk jener Gewaltigen fußend, welch erhabene Genien müssen am Ende des neuen Jahrhunderts wandeln, müssen dem zwanzigsten den Gruß des Willkomms singen und sagen? O wenn die Knospe endlich sich öffnete!
    Und ehrfurchtsvoller Schauer durchzittert das Herz des kleinen Gefangenen.
    Und da – siehe – es wächst, es dehnt sich das grüne Gewölbe – und es schimmert von außen –
    Die Knospe springt auf – o Seligkeit! Offen liegt der Himmel, liegt Land und Meer – und alles auf einmal umfaßt der Geisterblick.
    Er starrt und starrt. Die Genien sucht er, die großen Unsterblichen, die das Geheimnis des neuen Jahrhunderts zu verkünden wissen, der Zeit, die sie selbst geschaffen – rein und klar, wie es nimmer zuvor die Menschheit vernommen.
    Er starrt vergebens, er findet sie nicht. Sie sind nicht da – nicht ein einziger ist da.
    Und dem kleinen Kulturgeist rinnen die Tränen herab. Große, runde Tränen, aus denen der weite Himmel glänzt.
    Und wie sie fallen, zerstieben sie in Millionen Tröpfchen. Demantstaub ist über die Erde gestreut, und das ganze Land leuchtet.
    Wie anders sieht es nun aus!
    Millionen und aber Millionen Sternchen schlingen ihre Strahlen ineinander. Sie ergänzen sich, sie verstärken sich zu mildem Lichte.
    Und nun erblickt er die neuen Menschen. Wie das ineinander wirkt, wie sich das zusammenschließt, wie das hinübergreift über die Erde mit Riesenarmen, die allen gemeinsam gehören, auch dem Kleinsten! Dort jagt es durch die Lande, dort dampft es über das Meer, dort zuckt es Kunde, redet Sprache im Augenblick durch Fernen, zu denen die Schnellpost Tage brauchte. Das sind die neuen Nerven in einem neuen Riesenleib, das sind die neuen Riesen, die lebendig gewordene Natur in einem großen Willen, das sind die Riesen der Arbeit, der Pflicht, der Hoffnung.
    Die großen Genien schweben leuchtend im Äther, aber im Lande schafft ein großes Volk – Und nun erblickt der kleine Kulturgeist seinen Freund, den Michel. Höher noch ragt der mächtige Kopf, aber auch die Arme sind frei, und mutig umfassen sie den Erdball. Nur noch die Füße sind

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