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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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unsere Bändezahl damit dividiertest, würdest du also von den zwei Millionen Nullen gerade 18 streichen. Du bekommst demnach ein Zahl mit 1 999982 Nullen, womit du ebensowenig eine Anschauung verbinden kannst. Aber halt – einen Augenblick“ – der Professor warf ein paar Zahlen auf das Papier.
    „Dacht’ ich’s doch“, sagte seine Frau. „Nun wird doch noch gerechnet!“
    „Ich bin schon fertig. Weißt du, was diese Zahl für unsre Bibliothek bedeutet? Nehmen wir einmal an, jeder unsrer Bände sei nur zwei Zentimeter dick und wir hätten sie alle in einer Reihe aufgestellt – was meint ihr, wie lang die Reihe wäre?“
    Er sah sich triumphierend um, als alle schwiegen.
    Da sagte Susanne plötzlich: „Ich weiß es! Darf ich’s sagen?“
    „Immer los, Suse!“
    „Doppelt soviel Zentimeter, als die Bibliothek Bände hat.“
    „Bravo, bravo!“ riefen alle. „Das genügt vollständig.“
    „Ja“, sagte der Professor, „aber wir wollen es uns doch noch etwas genauer ansehen. Ihr wißt, daß das Licht in einer Sekunde 300000 Kilometer durchläuft, also in einem Jahre ungefähr zehn Billionen Kilometer, was gleich einer Trillion Zentimeter ist. Wenn also der Bibliothekar mit der Geschwindigkeit des Lichtes an unserer Bändereihe entlang saust, so würde er doch zwei Jahre brauchen, um an einer einzigen Trillion Bände vorüber zu kommen. Und um an der ganzen Bibliothek entlang zu fahren, wären demnach doppelt soviel Jahre nötig, als eine Trillion in der Bändezahl enthalten ist, das gibt, wie vorhin gesagt, eine Eins mit 1999982 Nullen. Was ich damit nur verdeutlichen wollte: Man kann sich die Zahl der Jahre, die das Licht braucht, an der Bibliothek entlang zu laufen, ebensowenig vorstellen, wie die Zahl der Bände selbst. Und das zeigt wohl am klarsten, daß es vergebliche Mühe ist, sich von dieser Zahl eine Anschauung zu bilden, obwohl sie endlich ist.“
    Der Professor wollte das Papier fortlegen, da sagte Burkel: „Wenn die Damen noch einen Augenblick gestatten, möchte ich bloß noch eine Frage stellen. Ich habe den Verdacht, daß du da eine Bibliothek ausgerechnet hast, für die es in der ganzen Welt keinen Platz gibt.“
    „Das werden wir gleich haben“, bemerkte der Professor und fing wieder an zu rechnen. Dann begann er:
    „Wenn wir die ganze Bibliothek zusammenpackten, so daß 1000 Bände auf ein Kubikmeter kommen, so würde, um sie zu fassen, der ganze Weltraum bis zu den fernsten uns sichtbaren Nebelflecken so oft genommen werden müssen, daß auch diese Zahl der vollgepackten Welträume nur einige 60 Nullen weniger hätte, als die 1 mit den zwei Millionen Nullen, die unsre Bändezahl angibt. Also, es bleibt dabei – wir kommen auf keine Weise dieser Riesenzahl näher.“
    „Siehst du“, sagte Burkel, „ich hatte schon recht, daß sie unerschöpflich ist.“
    „Doch nicht. Subtrahiere sie nur von sich selbst, so hast du ‚Null’. Sie ist endlich, sie ist als Begriff fest definiert. Das Überraschende ist nur dies. Wir schreiben mit weniger Ziffern die Zahl der Bände hin, in denen dieses scheinbar Unendliche aller möglichen Literatur verzeichnet steht. Versuchen wir aber, diesen Inhalt nun in unsre Erfahrung aufzunehmen, im einzelnen uns vorzustellen, z. B. wirklich einen solchen Band unsrer Universalbibliothek herauszusuchen, so stehen wir jenem klaren Gebilde unsres eigenen Verstandes wie einem Unendlichen und Unfaßbaren gegenüber.“
    Burkel nickte ernsthaft und sprach: „Der Verstand ist unendlich viel größer als das Verständnis.“
    „Was ist mit diesem Rätselwort gemeint?“ fragte die Hausfrau.
    „Ich meine nur, wir können unendlich mehr richtig denken, als wir in der Erfahrung wirklich zu erkennen vermögen. Das Logische ist unendlich mächtiger als das Sinnliche.“
    „Die Gesetze geben uns das Vertrauen auf die Wahrheit. Aber nützen können wir sie erst, wenn wir ihre Form mit lebendigem Erfahrungsstoff gefüllt, d. h. wenn wir den Band gefunden haben, den wir aus der Bibliothek brauchen.“
    Wallhausen stimmte zu, und seine Frau sprach leise:
     
    „Denn mit den Göttern
    Soll sich nicht messen
    Irgend ein Mensch.
    Hebt er sich aufwärts,
    Und berührt
    Mit dem Scheitel die Sterne,
    Nirgends haften dann
    Die unsicheren Sohlen,
    Und mit ihm spielen
    Wolken und Winde.“
     
    „Der große Meister trifft es“, sagte der Professor. „Doch ohne das logische Gesetz gäbe es nichts Sicheres, das uns zu den Sternen und über die Sterne hebt. Nur dürfen wir

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