Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)
wahr, Lian?« Der Mann nickt zögerlich. »Wenn ich zurück bin, wirst du Hailey an eine andere Stelle bringen. Tiefer in den Wald. Ich werde mit den anderen folgen, sobald ich sicher bin, dass die Peilsender unschädlich gemacht sind.«
»Peilsender?«, fragt Haileys Vater.
»Ihr tragt alle Peilsender. Wenn wir diese nicht entfernen, haben wir keine Chance.«
»Wir müssen Macy finden«, beharrt Hailey. Bei dem Gedanken daran, dass sie ihre beste Freundin zurücklassen muss, rebelliert ihr Magen und sie bekommt kaum Luft. »Bitte.«
Caleb beißt sich auf die Unterlippe.
»Ich weiß, dass du sie liebst. Aber wir müssen hier raus. Hailey, wir sind in der Festung«, beharrt Wolf. Seine Stimme ist voller Mitgefühl.
»Ich kann sie nicht hier lassen.« Hailey schluchzt laut. Wolf wirft Caleb einen fragenden Blick zu. Als dieser nickt, geht er auf Hailey zu und packt sie an den Schultern.
»Wenn wir hier sterben, nützt es Macy nichts. Wir müssen gehen. Sobald wir in Sicherheit sind, hecken wir einen neuen Plan aus und holen sie hier raus.«
»Lian hat auch all die Jahre überlebt«, wirft Caleb ein. Hailey fällt auf, dass er bewusst den Ausdruck Vater meidet.
»Wir werden wiederkommen und sie retten, in Ordnung?«
Hailey schüttelt den Kopf.
»Ich werde sie jetzt retten.«
Ohne eine Antwort abzuwarten stürmt sie los, doch sie kommt nicht weit. Eine Hand schließt sich um ihren Arm und reißt sie zurück. Caleb hält sie fest.
»Ich werde dich nicht noch einmal verlieren«, murmelt er und sieht sie eindringlich an. »Bitte. Wir werden sie retten. Aber jetzt musst du mit uns kommen. Wolf wird uns hier rausbringen.«
Hailey kann sich nicht bewegen. Ihr Blick irrt zwischen Caleb und ihrem Vater hin und her. Ihr Vater ist zurück.
»Er braucht dich«, zischt Caleb so leise, dass nur sie ihn hören kann. »Ohne dich wird er sich nicht erinnern. Bitte.«
Haileys Schultern sacken zusammen.
»Na schön«, haucht sie schweren Herzens. Sie fühlt sich, als habe sie Macy persönlich einen Dolch in den Körper gerammt.
»Wir gehen durch diese Tür. In dem Gang dahinter befindet sich ein Zugang zu den Katakomben. Über diese gelangen wir nach draußen«, erklärt Wolf. »Ihr haltet euch alle hinter mir und seid ruhig. Wenn ich ein Zeichen gebe, rennen wir los, ihr folgt mir. Wer zurückbleibt, bleibt zurück.«
Dann stößt er die Tür auf. Der Gang ist leer, riecht aber genauso feucht und modrig wie der auf der anderen Seite des Zellentraktes. Wolf hebt die Hand und sie rennen los.
Fortsetzung folgt
Epilog
»Du darfst nicht einschlafen!«
Panisch packt sie Jules an den Schultern. Durch die heftige Bewegung löst sich eine ihrer goldenen Locken und fällt Macy in die Stirn.
»Bitte!«
Tränen rinnen über ihr verschmutztes Gesicht. In den Katakomben ist es heiß und modrige Ausdünstungen rauben ihr die Luft zum Atmen. Obwohl sie um die Sinnlosigkeit ihrer Flucht wissen, haben sie sich in diesen Seitenarm zurückgezogen. Sie werden gejagt. Als Übung für die jungen Wächter, zur Belustigung des Präsidenten.
»Wenn du einschläfst, wachst du nicht mehr auf. Bitte!«
Jules blinzelt und lächelt.
»Vielleicht träume ich dann für immer von dir.«
»Bitte!«
Ihre zarte Gestalt wird von Schluchzern geschüttelt. Mit ihrer Hand schöpft sie etwas von dem dreckigen Wasser aus dem Kanal und schüttet es in das Gesicht ihres Freundes. Eine Ratte quietscht in der Dunkelheit, blitzende Augen beobachten die Szene, warten auf das Festmahl. Macy packt die Taschenlampe fester und leuchtet damit ihrem Freund in das Gesicht.
»Schatz, bleib bei mir!«
Sinnlose Flucht. Man kann vor der Regierung und ihren Mitarbeitern fliehen, aber dem Schlaf kann man nicht entkommen. Tief in ihrem Inneren weiß sie, dass es zu spät ist, aber sie will es nicht wahr haben.
»Singst du noch einmal das Lied für mich?«
Heftig schüttelt sie den Kopf. Dabei fliegen ihre blonden Locken hin und her.
»Du musst bald gehen. Noch wissen sie nicht, dass wir ... du kannst ... entkommen«, nuschelt er leise und kaum verständlich.
Macy unterdrückt einen heftigen Aufschrei und packt ihn erneut an der Schulter.
»Ich kann nicht ewig wach bleiben.«
Diese Worte brechen ihren letzten Widerstand. Sie sieht der unausweichlichen Realität ins Auge und weiß, dass sie den Tod nicht aufhalten kann.
Mit bebenden Lippen fängt sie an zu singen:
Leg dich hin und träume sanft, mein Kind.
Schlaf ruhig ein in dieser Nacht.
Sie beschützen
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