Traummann mit Zuckerkuss
mit den exklusiven französischen Designs von Tartine et Chocolat– zu Preisen, die einem die Tränen in die Augen trieben– schnell wieder verschwunden, genauso wie die Geschenkboutique mit ausländischen Monopoly-Ausgaben und Bechern von Penguin Classics, oder der Yoga-Shop, für den sie die ganze Vorderfront in einem vermeintlich entspannenden Rosaton gestrichen und einen Buddha-Brunnen neben dem Baum platziert hatten. Es hatte dort unglaublich teure Yogamatten und weiche geschmeidige Hosen im Gwyneth-Paltrow-Stil gegeben. Issy war viel zu eingeschüchtert gewesen, um auch nur einen Fuß in den Laden zu setzen, aber sie hatte eigentlich gedacht, dass er bei all den hippen Typen und schicken Mummys hier in der Gegend gut laufen würde. Es war aber nicht so gewesen, und nun hing das » Zu vermieten«-Schild in gelb-schwarz wieder im Fenster und biss sich mit dem Rosa. Der plätschernde kleine Buddha war nirgends zu sehen.
» Wirklich schade«, meinte Linda, als sie Issys Blick auf den leer stehenden Laden bemerkte. Issy antwortete mit einem » Hm«. Jeden Tag den Yoga-Shop zu sehen– und seine schlanken Verkäuferinnen mit Honigteint und wippendem Pferdeschwanz– hatte sie immer an ihr Alter erinnert und daran, dass es jetzt nicht mehr so einfach war, ihre Kleidergröße zu halten, vor allem mit ihrer Backleidenschaft. Eine Bohnenstange war sie nie gewesen, nicht im Haus ihres Großvaters. Früher hatte sie Gramps, obwohl er doch von einem langen Arbeitstag erschöpft sein musste, nach der Schule mit in die riesige Backstube genommen. Die anderen Bäcker, raue Burschen, hatten für sie Platz gemacht und das kleine Mädchen angelächelt. Es war ihr peinlich, dort zu sein, vor allem, wenn Gramps dann verkündete: » Jetzt beginnt deine wahre Erziehung«, woraufhin sie stets nickte. Sie war ein ruhiges Kind mit großen runden Augen, wurde häufig rot und war von Unsicherheit geplagt. An der Grundschule fühlte sie sich oft fehl am Platz und hatte den Eindruck, dass es jede Woche neue Regeln gab, über die außer ihr jeder Bescheid wusste.
» Wir fangen mit schottischen Pfannkuchen an«, erklärte ihr Großvater. » Die kriegt selbst eine Fünfjährige hin!«
» Aber Grampa, ich bin doch schon sechs!«
» Bist du gar nicht!«
» Bin ich doch! Ich bin sechs!«
» Du bist doch erst zwei.«
» Ich bin schon sechs!«
» Oder vier?«
» Sechs!«
» Das Geheimnis dieser Pfannkuchen«, erklärte er feierlich, nachdem Issy sich die Hände gewaschen hatte und er geduldig die vier Eierschalen aufgesammelt hatte, die auf dem Boden gelandet waren, » liegt in der Hitze. Die darf nicht zu stark sein. Auf zu hoher Flamme verbrennen die Küchlein. Jetzt Vorsicht!«
Er hielt sie auf dem braunen Küchenstuhl fest, der wegen eines Lochs im Linoleum ein wenig wackelte, und sie ließ mit konzentriertem Gesichtsausdruck vorsichtig den Teig vom Holzlöffel in die Pfanne gleiten.
» Und nun Geduld«, mahnte er, » die darf man nicht hetzen. Ein verbrannter Pfannkuchen hat kein Leben in sich. Und bei diesem Herd…«
Joe hatte seiner geliebten Enkelin voller Leidenschaft die Tipps und Tricks des Backens beigebracht. Es war seine Schuld, dachte Issy. Dieses Jahr würde sie aber auf jeden Fall weniger backen und ein paar Pfund verlieren. Ihr wurde klar, dass sie sich im selben Moment, in dem sie das dachte, Orangenbuttercreme von den Fingern leckte. Aber bald!
Und immer noch kein Bus in Sicht. Als Issy zur Straßenecke hinübersah und einen raschen Blick auf die Uhr warf, traf sie plötzlich ein dicker Regentropfen an der Wange. Und dann noch einer. Der Himmel war jetzt schon so lange grau, dass man nicht mehr genau wusste, ob es überhaupt noch regnen würde oder nicht. Jetzt aber würde es ganz dick kommen, die Wolken waren beinahe schwarz. Es gab an der Bushaltestelle keinen Unterstand, abgesehen von der drei Zentimeter breiten Regenrinne am Kiosk hinter ihnen, aber der Besitzer hatte es nicht gerne, wenn sie sich gegen sein Fenster lehnten, und erwähnte das häufig, wenn Issy dort ihre Morgenzeitung (und gelegentlich einen Snack) kaufte. Ihnen blieb also nichts weiter übrig, als sich zusammenzukauern, die Mütze tiefer in die Stirn zu ziehen und sich, wie Issy es oft tat, zu fragen, warum sie eigentlich nicht in der Toskana, in Kalifornien oder Sydney lebte.
Plötzlich bremste ein Auto– ein schwarzer BMW 23i– mit quietschenden Reifen verbotenerweise auf den gelben Linien und spritzte dabei die meisten der Wartenden
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