Traummann mit Zuckerkuss
des Firmenalltags, schließlich konnte er auf ihre Diskretion zählen. Jetzt sah er jedoch nur zu ihr herüber.
» Nichts«, sagte er. » Nichts Besonderes.«
Issy zog die Augenbrauen hoch. In Graemes Arbeitsalltag gab es nie » nichts Besonderes«, es ging immer darum, sich die beste Position zu erkämpfen und den großen Zampano zu spielen. Die Immobilienentwicklung war eine Branche, in der man solches Verhalten schätzte. Und deshalb wirkte Graeme, wie Issy ihren Freunden manchmal erklären musste, gelegentlich auch ein wenig… hart. Das war eine Fassade, die er bei der Arbeit aufrechterhalten musste. Sie hatte oft bis in die Nacht mit ihm zusammengesessen und geredet, und außerdem bekam Issy oft seine Stimmungsschwankungen und gelegentlichen Ausbrüche mit, und daher wusste sie, dass sich hinter alldem ein verletzlicher Mensch verbarg, der unter der Aggressivität in seinem Job litt und sich tief in seinem Inneren Sorgen um seinen Arbeitsplatz machte, genau wie alle anderen auch. Und deshalb hatte Issy auch viel mehr Vertrauen in ihre Beziehung als ihre Freunde. Sie kannte Graemes sanfte Seite. Ihr vertraute er seine Sorgen, Hoffnungen, Träume und Ängste an. Und deshalb war das mit ihnen auch etwas Ernstes, egal, wo sie morgens aufwachte.
Sie griff nach seiner Hand auf der Gangschaltung.
» Es wird bestimmt gut laufen«, versicherte sie behutsam. Fast grob machte Graeme sich los.
» Ich weiß«, sagte er.
Der Regen wurde immer stärker, als sie in die Straße nahe der Farringdon Road abbogen, die die Büros von Kalinga Deniki Property Management, auch als KD bekannt, beherbergte. Das Bürogebäude war ein sechs Stockwerke hoher scharfkantiger moderner Glasklotz und wirkte zwischen den niedrigeren Wohn- und Bürohäusern aus rotem Ziegel ein wenig fehl am Platze.
» Könntest du bitte…«
» Graeme, das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?«
» Los, komm schon! Wie stehe ich denn vor den Partnern da, wenn ich hier morgens mit einer Angestellten vorfahre?«
Er bemerkte Issys Miene.
» Entschuldige. Büromanagerin, meinte ich natürlich. Und natürlich sprechen wir hier von dir. Aber die fragen sich dann natürlich, was sie davon halten sollen.« Er strich ihr rasch über die Wange. » Es tut mir leid, Issy. Aber ich bin der Chef, und wenn ich jetzt anfange, Romanzen im Büro gutzuheißen… dann bricht hier die Hölle los.«
Einen Moment lang verspürte Issy Genugtuung. Es war eine Romanze! Ganz offiziell! Sie hatte es doch gewusst. Selbst wenn Helena von Zeit zu Zeit andeutete, sie sei völlig bescheuert und dass es für Graeme einfach nur ein bequemes Arrangement war, um jemanden zum Reden zu haben.
Als ob er Gedanken lesen könnte, lächelte er sie beinahe schuldbewusst an.
» Es ist ja nicht für immer«, beteuerte er. Aber er konnte nicht anders, er war erleichtert, als sie endlich aus dem Wagen stieg.
Issy stolperte durch die Pfützen. Der Regen prasselte jetzt so heftig, dass sie während des kurzen Fußmarsches die Britton Street entlang bis auf die Knochen nass wurde, so als hätte man sie niemals im Auto mitgenommen. Sie verschwand auf der leeren Damentoilette im Erdgeschoss, die so topmodern war, dass Gäste keine Ahnung hatten, wie man den Wasserhahn anstellte oder die Spülung betätigte. Dort stellte sie sich kurz unter den Händetrockner, mehr konnte sie für ihre Haare nicht tun. Na super, jetzt sah sie aus, als hätte sie in die Steckdose gefasst.
Wenn Issy sich die Zeit nahm, ihre Haare vernünftig zu föhnen, und jede Menge teure Produkte verwendete, dann fielen sie ihr in wunderschön glänzenden Ringellocken auf die Schulter. Wenn sie sich nicht die Arbeit machte, was meistens der Fall war, gab es ein erhöhtes Kräuselrisiko, vor allem, wenn es draußen feucht war. Sie sah sich an und seufzte. Ihre Mähne sah völlig verfilzt aus. Der kalte Wind hatte zwar ein wenig Farbe auf ihre Wangen gezaubert– Issy hasste ihr häufiges Erröten, das hier sah aber gar nicht schlecht aus–, und fette schwarze Mascara umrundete ihre grünen Augen, aber ihre Haare waren ein absolutes Desaster. Sie suchte in ihrer Tasche nach einem Haarband oder einer Spange, fand aber nichts außer einem roten Gummiband, welches der Postbote verloren hatte. Das musste reichen. Es passte zwar nicht so ganz zu ihrem Blümchenkleid und der engen schwarzen Strickjacke, die sie mit einer dicken schwarzen Strumpfhose und schwarzen Stiefeln trug, aber was blieb ihr anderes übrig?
Sie war spät dran, als sie
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