Traumsammler: Roman (German Edition)
…«
Dies ist deine Belohnung, sagte der Dämon.
»Wie meinst du das?«, rief Baba Ayub aus.
Ich habe dich auf die Probe gestellt.
»Was für eine Probe?«
Ich wollte deine Liebe auf die Probe stellen. Ich gebe zu, dass es eine schwere Prüfung war, und ich kann dir ansehen, wie viel sie dich gekostet hat. Aber du hast sie bestanden. Dies ist deine Belohnung. Und die deines Sohnes.
»Und wenn ich mich damals nicht für ein Kind entschieden hätte?«, schrie Baba Ayub. »Wenn ich mich deiner Probe verweigert hätte?«
Dann wäre es um alle deine Kinder geschehen gewesen, sagte der Dämon. Aber mit einem Schwächling als Vater wären sie sowieso verflucht gewesen. Mit einem Feigling, der lieber ihren Tod in Kauf genommen als sein Gewissen belastet hätte. Du sagst von dir selbst, dass du nicht mutig bist, aber ich sehe dir an, dass du es bist. Du hast Mut gebraucht, um dich zu entscheiden und die Last der Verantwortung auf dich zu nehmen. Das ehrt dich.
Baba Ayub zückte die Sichel, doch sein Griff war schwach, und sie entglitt seiner Hand und fiel auf den Marmorfußboden. Seine Knie wankten, und er musste sich setzen.
Dein Sohn erinnert sich nicht mehr an dich, fuhr der Dämon fort. Dies ist jetzt sein Leben, und du hast ja selbst gesehen, wie glücklich er ist. Er hat hier alles, was er braucht, gutes Essen, kostbare Kleidung, er erfährt Freundschaft und Zuneigung. Er wird in Kunst und Sprachen unterrichtet, und man lehrt ihn Weisheit und Wohltätigkeit. Es fehlt ihm an nichts. Und sollte er eines Tages, wenn er erwachsen ist, gehen wollen, so steht ihm das Tor offen. Er wird viele Leben durch seine Güte bereichern und jene, die von Kummer und Sorgen geplagt werden, glücklich machen.
»Ich will ihn sehen«, sagte Baba Ayub. »Ich will ihn mit nach Hause nehmen.«
Tatsächlich?
Baba Ayub sah zum Dämon auf.
Dieser ging zu einem Schrank, der neben den Vorhängen stand, und holte eine Sanduhr aus einer Schublade. Weißt du, was eine Sanduhr ist, Abdullah? Ja? Gut. Der Dämon drehte sie um und stellte sie vor Baba Ayubs Füße.
Ich gestatte dir, deinen Sohn mitzunehmen, sagte der Dämon. Wenn du es tust, kann er nie mehr hierher zurückkehren. Wenn du es nicht tust, kannst du nie mehr hierher zurückkehren. Ich warte, bis der Sand durchgelaufen ist. Dann wirst du mir deine Entscheidung mitteilen.
Mit diesen Worten verschwand der Dämon aus der Halle und ließ Baba Ayub mit einer weiteren schweren Entscheidung allein.
Ich bringe ihn zurück nach Hause, schoss es Baba Ayub durch den Kopf, denn dies wünschte er sich mit jeder Faser seines Körpers, dies war sein größtes Verlangen. Hatte er nicht tausend Mal davon geträumt? Seinen kleinen Qais wieder in den Armen zu halten, ihm einen Kuss auf die Wange zu geben und seine zarten Händchen zu ergreifen? Und doch … Welches Leben hätte sein Sohn zu erwarten, wenn er mit ihm nach Maidan Sabz zurückkehren würde? Bestenfalls ein beschwerliches bäuerliches Leben wie das seine, nicht mehr. Und das auch nur, wenn Qais nicht durch die Dürre umkam wie so viele andere Kinder im Dorf. Könnte ich mir das je verzeihen?, fragte sich Baba Ayub. Könnte ich damit leben, ihn aus egoistischen Gründen eines Lebens beraubt zu haben, in dem ihm alle Wege zu Glück und Wohlstand offenstehen? Andererseits wusste Baba Ayub nun, dass sein kleiner Junge am Leben war und wo dieser sich aufhielt, und wie sollte er ihn da zurücklassen? Täte er das, würde er Qais nie mehr wiedersehen, und das wäre furchtbar. Würde er das ertragen können? Baba Ayub weinte. Von Verzweiflung übermannt, schleuderte er die Sanduhr gegen die Wand, und sie ging in tausend Stücke, und der feine Sand rieselte auf den Fußboden.
Der Dämon trat wieder ein und erblickte Baba Ayub, der mit hängenden Schultern vor der kaputten Sanduhr stand.
»Du bist ein grausames Monster«, sagte Baba Ayub.
Hättest du so lange gelebt wie ich, erwiderte der Dämon, dann wüsstest du, dass Grausamkeit und Güte zwei Seiten derselben Medaille sind. Hast du dich entschieden?
Baba Ayub trocknete seine Tränen, hob die Sichel auf und band sie sich um den Bauch. Er schlich zur Tür, den Kopf tief gesenkt.
Du bist ein guter Vater, sagte der Dämon, als Baba Ayub an ihm vorbeiging.
»Für das, was du mir angetan hast, sollst du in den Feuern der Hölle schmoren«, murmelte Baba Ayub matt.
Er war schon draußen im Flur, als der Dämon noch einmal nach ihm rief.
Nimm dies mit, sagte der Dämon und reichte Baba
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