Traumzeit
Jahre, in denen sie diesen Ort gesucht hatte, an die vielen Meilen, die sie zurücklegen mußte, und sie konnte kaum glauben, daß sie Karra Karra schließlich doch gefunden hatte. Doch jetzt, nachdem Karra Karra vor ihr lag, erfaßte sie heftige Unruhe. Sie konnte keinen Tag, keine Stunde länger warten. »Ich werde in den Berg gehen, Lisa«, sagte Joanna.
Lisa sah ihre Mutter erschrocken an. »Aber Mutter, ist das nicht gefährlich?«
»Ich muß es tun. Es wird mir nichts geschehen. Mein Großvater schreibt, daß die Frauen viele Jahrhunderte lang im Berg Rituale abgehalten haben. Wie kann es also dort gefährlich sein?«
»Dann möchte ich dich begleiten.«
»Nein, Lisa, du bleibst bei Naliandrah.« Sie sah die alte Frau an und fragte: »Kannst du mir den Weg zeigen, der in den Berg führt? Mein Großvater schreibt von einer Höhle am Fuß des Bergs.«
»Ich werde dir den Weg zeigen«, antwortete Naliandrah, »aber vergiß nicht, Jahna, die Regenbogenschlange lebt noch immer im Berg.«
Kapitel Einunddreißig
1
»Merkwürdig«, sagte Frank und schlug mit dem Finger auf das Kompaßglas, »der Zeiger bleibt nicht stehen. Die alberne Nadel springt immer wieder nach Süden. Hugh, sieh doch mal, was dein Kompaß anzeigt.«
Sie saßen um ein Lagerfeuer. Es waren auf den Tag genau vier Wochen vergangen, seit sie in Kalagandra zu dieser Expedition aufgebrochen waren. Die Gruppe war wegen der Stürme in der Großen Bucht erst spät nach Westaustralien gekommen. Der Kapitän mußte immer wieder in kleineren Häfen entlang der südaustralischen Küste Schutz suchen. Und als sie schließlich Kalagandra erreicht hatten, fanden sie keine Männer, die bereit waren, in die Wüste zu ziehen, um eine verschollene Frau zu suchen, denn wer nach Kalagandra kam, hatte es auf Gold abgesehen. Deshalb waren seit der Abreise von Merinda beinahe drei Monate vergangen, bis sie schließlich Männer, Kamele und Proviant zusammenhatten. Am ersten Tag im November brach die Karawane ins Unbekannte auf.
Und jetzt, achtundzwanzig Tage später, glaubten sie, in der Nähe der Stelle zu sein, an der die Flutwelle Joanna und ihre Gefährten überrascht hatte. Hugh und Frank hatten Eric Graham im St.-Albany-Krankenhaus besucht, wo Schwester Veronika ihn pflegte. »Wir hatten uns verirrt«, berichtete Graham, »keiner der Kompasse funktionierte mehr, und dann kam die Flutwelle. Hätten mich die Goldsucher nicht zufällig gefunden, wäre ich wie die anderen gestorben.«
Hugh zog seinen Kompaß aus der Tasche und blickte auf den Zeiger. »Ja«, sagte er und nickte, »mit meinem ist auch etwas nicht in Ordnung. Und Eric hat gesagt, etwa an diesem Punkt sei das Unglück geschehen.«
Graham hatte ihnen eine ungefähre Karte von ihrem Weg in die Wildnis gezeichnet. Sein Notizbuch war von der Flutwelle davongetragen worden, aber er hatte sich unterwegs besondere Merkmale der Landschaft eingeprägt. Hugh entfaltete jetzt die Karte und betrachtete sie im Schein des Lagerfeuers.
»Na gut«, sagte er, »Eric hat erzählt, sie sind immer nach Osten gezogen und haben durchschnittlich fünfundzwanzig Meilen pro Tag zurückgelegt. Nach vier Wochen waren sie ungefähr hier, wo er die zackige Hügelkette eingezeichnet hat. Die haben wir vor drei Tagen gesehen. Wir müssen demnach ganz in der Nähe der Stelle sein, wo die Flutwelle sie überrascht hat.«
Frank blickte ebenfalls auf die Karte, die hier endete. »Und wohin ziehen wir jetzt?« fragte er.
»Jetzt müssen wir uns auf Ezekial und die beiden schwarzen Fährtensucher verlassen«, erwiderte Hugh, rollte die Karte zusammen und steckte sie in seine Satteltasche. »Morgen suchen wir die Gegend nach Hinweisen auf das letzte Lager ab. Wenn Joanna oder Lisa oder sonst jemand überlebt hat, dann konnten sie nach der Flut vielleicht einiges an Vorräten wiederfinden, hier irgendwo ein neues Lager aufschlagen und auf Rettung warten. Ich glaube, sie waren klug genug, nicht weiterzuziehen.«
»Aber was ist, wenn sie zum Weiterziehen gezwungen waren?« fragte Frank. »Ich meine, wir haben hier in dieser Gegend kein Wasser gefunden. Sie mußten sich vielleicht auf die Suche nach einem Wasserloch machen.«
»Wie auch immer, zu Fuß wären sie nicht weit gekommen. Sie wären bestimmt an der ersten Wasserstelle geblieben. Es hätte keinen Grund gegeben, weiter in die Wüste zu wandern.«
Hugh musterte seinen Freund nachdenklich. »Was ist, Frank? Was beschäftigt dich?«
»Ich denke nur, Hugh, wie ich Joanna
Weitere Kostenlose Bücher