Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)
hätten sich erhöht, sagte Frau Horak, sonst keine Symptome; er streite sich häufig mit Dr. Knock über Mäuse, die wahren Löwen – Eisbären seien vergessen – und den alten Scott habe er in die Eiswüste geschickt, die vergebliche Rückkehr sei ja eine historische Tatsache. Sie habe das Gefühl, unser Freund sei auf dem Pfad der Identitäts-Neufindung durch Höhere Gedanken.
Das sei mir lieb, sagte ich, ob sich sein Verhalten geändert habe?
Nicht besonders, sagte Frau Horak, er krieche herum, zucke mit seiner Nase und sei auf der Suche nach dem Absoluten.
Gott, sagte ich, ob er von Gott spreche oder einer anderen Instanz?
Le vent a changé, sagte Anita … Er spreche jetzt mit viel Ernst Unverständliches … er küsse die Spitzmaus auf das Schnäuzchen und schlafe auch mit ihr, ihr Nest sei seine Achselhöhle. Hin und wieder bete er auch oder bitte um Seelenfusion, oder Buddha möge den Bund segnen.
Knock ist verschwunden, Scott hinüber.
Es besteht Hoffnung, sagte ich.
Nein, sagte Anita, Curtius zittert wie ein Veilchen im Frühling und zitiert Précourt. ‹Jedes Symptom ist ein Zeichen, aber nicht jedes Zeichen ist Symptom.› Das hat Précourt auf dem Totenbett zu seinem Priester gesagt.
Zeichen … Symptome …, sagte ich, Anita, Zeichen und Symptome wofür? Wovon, in welcher Bedeutung.
Ich glaube, sagte Frau Horak, er will sterben. Sie hätten diesen Brief niemals abschicken dürfen. Arthur, Sie sind ein Crétin und ein lausiger Therapeut.
104 Als ich eines Tages diverse Objekte ordnete – die Tagebücher Edwards I bis VII in Kontobüchern mit linierten Blättern, Format DIN A5, Iron Singrams Memoiren Erinnerungen eines Jägers – den Briefwechsel mit Herbert Spencer (in einer froschgrünen Mappe aus Seidensatin), Strehlows unvollendeten Roman Unter Tieren , ein Maschinenskript, Trauer- und Casual-Reden des ehrwürdigen Reverend Treeball, abgefasst in einer kleinen eleganten Handschrift, und – mit schwarzer Tinte – des Balten Peltz Studien zum Winterschlaf unter dem Titel Refugien des Seinsabwesenheit – rief Anita Horak an und sagte, es sei etwas Schreckliches passiert. Kommen Sie sofort.
Anita war bleich und auf resignierte Weise gefasst, als sie mich zum Scottschen Zelt führte, das wohl wieder aufgebaut worden war.
Franz, sagte ich, hallo. Ich habe dir Marshmallows mitgebracht. Man kann sie am Spieß braten, dann schmecken sie wie Zibetkatzen-Köttel. Sie haben keine Vitamine, aber ein Forscher muss sich abhärten.
Curtius lehnte an einer Zeltstange, der Mund stand offen, seine Augen schienen in eine Polarnacht oder in ein subpolares Paradies zu blicken.
Ihre öden Scherze, sagte die Horak, sind vergeudet, Curtius ist tot. Es lag an den Vitaminen – er schlang eine rohe Mohrrübe, eine Karotte – ich habe Karotten immer gehasst –, er ist einfach … erstickt … in der Mitte der Nacht …! Ich hatte ihm extra einen wunderbar windigen Hurrikan in den Recorder –
Sie schluchzte, schnüffelte ein Mal und war wieder Herr der Lage.
Ein Bolus-Tod, sagte ich, wer hätte das gedacht.
Besser als Botulismus, sagte Anita und schloss Curtius mit den Fingerspitzen der linken Hand die Augen.
Wir schwiegen.
Der Kassettenrecorder summte sonor.
So ein sinnloser Tod, sagte Anita.
Sinnlose Tode, sagte ich, existierten nicht, so wenig wie sinnlose Morde, denn gäbe es die, dann wären sinnvolle Tode oder Morde –
Ach, halten Sie doch den Mund, sagte Frau Horak; wäre unser Curtius eingegangen an einer Krankheit zum Tode, wie hätte ich ihn zu Ende gepflegt.
Wir tranken an der Bar Sherry. Mit Trauer und Sodbrennen dachte ich an Franz Curtius, den großen Tierfreund, das ewige Eis und Karotten.
C. hatte keine letzten Botschaften hinterlassen, sehr bedauerlich, aber ein Notizbuch mit eisigen Notizen über Tote Götter, die Traurigen Tiere, die Angst vor dem Tod und den blöden Optimismus seines Dr. Knock, jeder Mensch sei krank.
Borst nahm an unserer Trauerfeier teil, trank aber Gin on the rocks. Sah verrottet aus und stank nach Formalin.
Rasier dich, sagte die Horak, und nimm deinen Bart aus dem Gin. Gottja, das Individuum, sagte sie und seufzte ziemlich tief, ist ja doch Subjekt und Objekt seines Erkenntnis-Willens, egal, auf welchem Irrsinns-Trip, und erstickt dann einfach so an einer Karotte …
Borst sagte, Tiere täten das nicht.
War schon der Notarzt da, fragte ich, immerhin sei eine Leiche in einem Zimmer-Zelt recht ungewöhnlich.
Aber ja, sagte Anita, mit dem Tod
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