Altwerden ist nichts für Feiglinge - Fuchsberger, J: Altwerden ist nichts für Feiglinge
Eine Betrachtung des Unabänderlichen
Ach ja, früher, zwei Stufen auf einmal, manchmal sogar drei, kam darauf an wohin. Bei einer normalen Haustreppe mit sagen wir fünfzehn Stufen betrug der Zeitaufwand, um von einem Stockwerk in das nächst höhere zu gelangen, ein paar Sekunden.
Heute, fünf Stufen, langsam nacheinander, dann zehn Sekunden Pause, dann wieder fünf Stufen, bei ständigem Wechsel des Kraftaufwandes von den Beinen in die Arme, die den schwer gewordenen Körper am Handlauf des Treppengeländers hochziehen. Ganz egal wohin!
Dieser Vorgang kann inzwischen bis zu einer Minute in Anspruch nehmen. An schlechten Tagen brauchst du also für den Aufstieg in die obere Etage deines Hauses ungefähr zehnmal so lang.
Damit wäre ein wesentlicher Teil des Problems »Altwerden« bereits beschrieben. Es ist das Verhältnis von Kraft und Zeit.
Dieses Buch soll kein Lamento werden, nur eine subjektive Schilderung des derzeitigen physischen Zustandes eines Betroffenen. Und Besserung ist da kaum zu erwarten.
Was berechtigt mich, ein Buch über das Altwerden zu schreiben? Ganz einfach - ich bin alt.
Da ich diese Zeilen zu Papier bringe, zähle ich zweiundachtzig Jahre, sechs Monate und vierundzwanzig Tage. Ein paar Stunden kämen auch noch dazu, aber wir wollen nicht kleinlich sein.
Hape Kerkelings Horst Schlemmer würde jetzt sagen: »Isch hab Rücken, isch hab Hals und isch hab Herz - weißte Bescheid...«
Ich weiß Bescheid. Derzeit reden ja viele über das Alter, auch ganz Junge, und viele reden da einen ziemlichen Blödsinn. Ein vermutlich ehrenwerter Politiker fragt, ob die Alten noch ein Recht auf neue Hüften hätten? Ob sich das noch lohne? Ich wünsch ihm eine, die recht wehtut, im Alter. Ein vermutlich respektabler Journalist versteigt sich zu der Frage, ob die Alten nicht selber schuld daran sein könnten, wenn sie von Jungen zusammengeschlagen und halb tot getreten werden. Dankeschön! Das wünsche ihm nicht, wenn er alt ist.
Was ist überhaupt Alter? Für Politiker offenbar eine künftige Katastrophe, die sie gern als »Demografie« im Munde führen. Auf Deutsch heißt das Bevölkerungswissenschaft. Der zufolge nehmen wir Alten
den Jungen die Zukunft weg, einfach dadurch, dass wir zu lange leben. Punkt! Ein Offenbarungseid!
Alter ist nicht nur eine biologische Unabänderlichkeit, sondern auch ein mentaler, also geistiger Vorgang. Dieser wurde dem normal gebildeten Bundesbürger erst bewusst, seit er gern als Qualitätsmerkmal in die Volkssportarten Tennis, Golf, Boxen, Strandvolley- und Fußball Eingang gefunden und damit überragende Bedeutung erlangt hat.
Die »Großen Alten« in dieser und anderen Sportarten zählen durchschnittlich knapp über dreißig Lenze, ein Alter also, in dem bei manchen Stars das Mentale, also das Geistige, zwangsläufig einen gewissen Nachholbedarf aufweist.
Einige »Große Alte« haben bemerkenswerte Aussagen über das Alter gemacht.
Mae West, das erste Hollywood Sex Symbol (1893 - 1980) muss, anstandshalber, als Erfinderin des Titels dieses Buches genannt werden. Als sich ihre berückenden Maße in bedrückende Masse verwandelten, soll sie einem respektlosen Journalisten auf die Frage nach ihren Rundungen geantwortet haben: »Listen young man, aging is not for cowards!«
Sir Peter Ustinov (1921 - 2004) gab mir als Vermächtnis seine Erkenntnis mit auf den Weg: »Wir alten Männer sind gefährlich, weil wir keine Angst
mehr vor der Zukunft haben. Wir können sagen, was wir denken, wer will uns denn dafür bestrafen?«
Robert Boyle (1909 - lebt noch), Alfred Hitchcocks Bühnenbildner, wurde 98-jährig mit dem Ehren-Oscar 2008 ausgezeichnet. Von zwei äußerst attraktiven, sehr spärlich bekleideten Damen zum Mikrofon geführt, kümmerte er sich einen Dreck um die limitierte Zeit für die Dankesadresse, betrachtete seine Begleiterinnen mit erkennbarem Genuss und meinte dann mit zittriger Stimme: »Ladies and Gentlemen - dies sind die Freuden des Alters. Der Rest ist nicht mehr sehr empfehlenswert!«
Erich Glowatzki, in den Dreißigerjahren nach Australien ausgewanderter und zum Multimillionär aufgestiegener Sachse, brachte das Alterungsproblem auf den einfachen Nenner: »Nu, wenn de jung bist, haste Zähne zum Beißen, aber nischt zu fressen. Wenn de alt bist, haste genug zum Fressen, aber keene Zähne mehr zum Beißen!« Voilà!
Man kann sich dem Problem des Älterwerdens auch akademisch nähern. Die Wissenschaft bezeichnet die »Lehre von den
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