Traveler - das Finale
Zug nach London. Als er das geheime Apartment hinter Winston Abosas Trommelladen erreicht hatte, begegnete er dem französischen Harlequin Linden, der am Küchentisch saß und interne Bankunterlagen zum Thema Geldtransfers studierte.
»Der Traveler ist wieder da.«
»Gabriel? Er ist zurückgekommen? Was ist passiert?«
»Er wurde in der Ersten Sphäre festgehalten.« Linden zog den Korken aus einer halb vollen Burgunderflasche und schenkte sich ein Glas ein. »Maya hat ihn gerettet. Sie selbst hat es nicht geschafft, in diese Welt zurückzukehren.«
»Wovon sprechen Sie? Geht es ihr gut?«
»Maya ist kein Traveler. Gewöhnliche Menschen müssen einen der seltenen Zugangspunkte finden, um sich zwischen den Sphären zu bewegen. In der Antike war bekannt, wo diese Punkte liegen, aber dieses Wissen ist größtenteils verloren gegangen.«
»Was ist mit ihr passiert?«
»Das weiß niemand. Simon Lumbroso wartet immer noch in der Kirche der Heiligen Maria von Zion in Äthiopien.«
Hollis nickte. »Mayas Einstiegspunkt.«
»C’est correct. Sechs Tage sind seither vergangen, aber Maya ist nicht wieder im Heiligtum aufgetaucht.«
»Gibt es einen Rettungsplan?«
»Uns bleibt nichts anderes übrig, als zu warten.« Linden nippte an seinem Wein. »Ich habe Ihre E-Mail über den Zwischenfall in Berlin gelesen. Haben Sie Mother Blessing im Computerzentrum zurückgelassen?«
»Ich bin losgefahren und habe sie auf dem Land vergraben.
Ich habe keinen Grabstein und keine Markierung hinterlassen.«
»Das hätte Mother Blessing auch nicht gewollt. Ist sie eines stolzen Todes gestorben?«
Für einen kurzen Augenblick war Hollis verwirrt, dann fiel ihm ein, dass auch Maya diesen Begriff schon benutzt hatte. »Sie hat sechs Männer umgebracht, und dann hat irgendjemand sie erschossen. Ob das stolz ist, müssen Sie selbst entscheiden.« Er öffnete den stählernen Transportköcher, zog Mother Blessings Schwert heraus und legte es vorsichtig auf den Küchentisch. »Das hat sie mir im letzten Moment gegeben.«
»Mr. Wilson, bitte drücken Sie sich genauer aus. Hat Mother Blessing Ihnen das Schwert gegeben oder haben Sie es dem Leichnam abgenommen ?«
»Na ja, ich glaube, sie hat es mir gegeben. Deswegen bringe ich es zurück.«
»Vielleicht wollte Mother Blessing, dass Sie ihre Verpflichtung übernehmen?«
»Auf keinen Fall. Ich bin nicht unter Harlequins aufgewachsen.«
»Ich auch nicht«, sagte Linden. »Ich war Soldat beim Sondereinsatzkommando der französischen Streitkräfte, bis ich mich mit einem vorgesetzten Offizier anlegte. Danach habe ich zwei Jahre als Leibwächter in Moskau gearbeitet, bis Thorn mich schließlich als Söldner anheuerte. Ich wusste vom ersten Augenblick an, wo meine Berufung liegt. Wir Harlequins vergeuden nicht unsere Zeit damit, die Reichen und Mächtigen zu schützen. Wir beschützen Propheten und Visionäre, Traveler, die die Geschichte in andere Bahnen lenken.«
»Tun Sie, was Sie wollen, Linden. Ich habe meine eigenen Ziele.«
Linden zögerte sekundenlang, so als müsse er verarbeiten,
was er eben gehört hatte. Dann schien sich ein Teil seines Hirns einfach abzuschalten; er schnipste mit den Fingern, und es war vorbei. Hollis verließ die Küche.
Er war sich des Gewehrs im Koffer überdeutlich bewusst, als er nach rechts in die Ludgate Hill und anschließend nach links in die Limeburner Lane abbog. Von der Kreuzung waren es noch etwa einhundert Meter zu einem Bürogebäude aus Glas und Stahl, das der Evergreen Foundation gehörte. Schwarze Stahlträger und schwarzer Granit rahmten die dunkel getönten Fensterscheiben. Aus der Entfernung sah es aus, als hätte jemand ein riesiges Gitter fallen lassen, das sich mitten in London hochkant in die Erde gebohrt hatte.
Das Gebäude wurde von bewaffnetem Wachpersonal gesichert. Vor ein paar Tagen hatte Hollis sich als Fahrradkurier ausgegeben und die Lobby betreten, um nach dem Weg zu fragen. Jeder Besucher, der ins Stiftungsgebäude hineinwollte, musste einen kurzen, L-förmigen Korridor mit grünen Glaswänden durchqueren und sich von einem Körperscanner, der durch die Kleidung hindurchsehen konnte, absuchen lassen.
Gegenüber vom Bürogebäude stand ein altes, viktorianisches Geschäftshaus. Einziger Mieter war ein weltweit operierendes Architekturbüro, in dessen Erdgeschossfenstern Fotos aus Dubai und Saudi-Arabien hingen. Nachdem er die Bilder gründlich studiert hatte, kam Hollis zu dem Schluss, der Architekt habe alte
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