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Traveler - Roman

Traveler - Roman

Titel: Traveler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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gegangen.«

    Offenbar war einem der Spieler ein guter Schlag gelungen, denn die Zuschauer johlten plötzlich. »Dann hol ihn zurück!« , rief Michael.
    »Mom scheint fest entschlossen. Vielleicht passiert es wirklich. Komm, so schnell du kannst.«
    Gabriel schaltete das Handy aus und ging zurück ins Zimmer seiner Mutter. Erneut nahm er ihre Hand, aber es dauerte mehrere Minuten, ehe sie die Augen öffnete.
    »Ist Michael hier?«
    »Ich habe ihn angerufen. Er ist unterwegs.«
    »Ich habe an die Leslies denken müssen …«
    Diesen Namen hatte er noch nie gehört, auch wenn seine Mutter ihm im Lauf der Jahre etliche Geschichten über etliche Leute erzählt hatte. Aber Michael schien Recht zu haben – keine davon ergab einen Sinn.
    »Wer sind die Leslies?«
    »Studienfreunde. Sie waren auf unserer Hochzeit. Als dein Vater und ich auf Hochzeitsreise gingen, ließen wir sie in unserem Appartement in Minneapolis wohnen. Ihr eigenes wurde gerade gestrichen …« Mrs. Corrigan kniff die Augen fest zusammen, so als wollte sie etwas deutlich vor ihrem inneren Auge sehen. »Als wir aus den Flitterwochen zurückkamen, erwartete uns die Polizei. Eines Nachts waren mehrere Männer in unser Appartement eingebrochen und hatten unsere Freunde erschossen, während sie in unserem Bett schliefen. Die Männer hatten uns umbringen wollen, aber einen Fehler gemacht.«
    »Euch umbringen?« Gabriel bemühte sich, gelassen zu klingen. Er wollte nicht, dass sie erschrak und zu reden aufhörte. »Hat man die Mörder gefasst?«
    »Dein Vater hat mich ins Auto verfrachtet und ist losgefahren. An dem Tag hat er mir erzählt, wer er wirklich war …«
    »Und wer war er?«
    Aber sie hatte wieder das Bewusstsein verloren, war in eine
Schattenwelt zwischen der Realität und einem weit entfernten Ort eingetaucht. Gabriel hielt weiter ihre Hand. Nach einer Weile wachte sie auf und fragte dasselbe wie zuvor.
    »Ist Michael hier? Kommt Michael her?«
     
    Dr. Chatterjee kehrte um acht ins Hospiz zurück, und ein paar Minuten später tauchte auch Michael auf. Er wirkte wie immer aufmerksam und energiegeladen. Die Brüder standen mit dem Arzt in der Eingangshalle, und Michael versuchte herauszufinden, was los war.
    »Meine Mutter behauptet, dass sie heute noch sterben wird.«
    Chatterjee war ein kleiner, höflicher Mann in einem weißen Arztkittel. Er studierte die Krankenakte ihrer Mutter, um deutlich zu machen, dass er die Sache ernst nahm. »Krebspatienten sagen oft solche Dinge, Mr. Corrigan.«
    »Also, wie ist die Lage?«
    Der Arzt trug etwas in die Akte ein. »Es kann sein, dass sie in ein paar Tagen stirbt. Oder in ein paar Wochen. Es ist unmöglich, eine Vorhersage zu treffen.«
    »Und was ist mit heute ?«
    »Ihre Werte haben sich nicht verändert.«
    Michael wandte sich von Dr. Chatterjee ab und ging die Treppe hinauf. Gabriel folgte ihm. Sie waren jetzt allein. Niemand anders hörte sie.
    »Er hat dich Mr. Corrigan genannt.«
    »Stimmt.«
    »Seit wann benutzt du deinen richtigen Namen?« Michael blieb am oberen Ende der Treppe stehen. »Seit etwa einem Jahr. Ich habe es dir bloß nicht erzählt. Ich habe eine Sozialversicherungsnummer und bezahle Steuern. Das Gebäude am Wilshire Boulevard wird mir völlig legal gehören.«
    »Aber das bedeutet, dass du jetzt im Raster bist.«

    »Ich heiße Michael Corrigan, und du heißt Gabriel Corrigan. Das sind unsere Namen.«
    »Du weißt doch, was Dad uns gesagt hat –«
    »Hör auf damit, Gabe! Ich kann es nicht mehr hören. Unser Vater war verrückt. Und Mom besaß nicht die Stärke, sich ihm zu widersetzen.«
    »Und warum sind damals die Männer gekommen und haben unser Haus angezündet?«
    »Wegen Vater. Vermutlich hatte er sich etwas zuschulden kommen lassen, etwas Illegales getan. Wir haben nichts verbrochen.«
    »Aber das Raster –«
    »Das Raster ist nichts weiter als das moderne Leben. Alle müssen damit klarkommen.«
    Michael fasste Gabriel am Arm. »Du bist mein Bruder. Aber du bist auch mein bester Freund. Ich tu das für uns beide. Verdammt noch mal. Wir können uns nicht für immer wie Kakerlaken aufführen, die sich in der Wand verstecken, sobald jemand das Licht anknipst.«
     
    Die Brüder gingen in das Zimmer und stellten sich rechts und links neben das Bett. Gabriel berührte die Hand seiner Mutter. Es fühlte sich an, als wäre ihr gesamter Körper blutleer. »Wach auf«, sagte er in sanftem Ton. »Michael ist hier.«
    Sie schlug die Augen auf und lächelte, als sie ihre

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