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Traveler - Roman

Traveler - Roman

Titel: Traveler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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bildeten sich unzählige feine Risse. Er schwang den Engländer ein zweites Mal, und das Fenster zersprang.
    Ein paar Sekunden lang sah er den Fahrer – einen jungen Mann mit Ohrring und rasiertem Schädel. Der Mann wirkte überrascht, als Gabriel ausholte, um ihm den Engländer ins Gesicht zu schlagen. Der Lieferwagen brach nach rechts aus und stieß gegen die Leitplanke. Metall schabte über Metall, Funken stoben in die Dunkelheit. Fahr weiter, dachte Gabriel. Schau nicht zurück. Und er folgte seinem Bruder, der die nächste Ausfahrt nahm und die Rampe hinunterraste, die vom Freeway wegführte.

SIEBEN
    D ie vier Wagen verließen den Freeway nicht, dennoch fuhr Michael so schnell, als wären sie ihm dicht auf den Fersen. Gabriel folgte dem Mercedes einen steilen Canyon hinauf, vorbei an prächtigen Villen, deren Fundamente mit dünnen Stahlpfeilern abgestützt waren. Nach mehreren rasch aufeinander folgenden Biegungen befanden sie sich oben in den Bergen mit Blick auf das San Fernando Valley. Michael bog von der Straße auf den Parkplatz einer verrammelten Kirche ein, dessen Asphaltboden mit leeren Flaschen und Bierdosen übersät war.
    Gabriel setzte den Helm ab. Sein Bruder stieg aus. Er wirkte erschöpft und wütend.
    »Das waren die Tabula«, erklärte Gabriel. »Diese Leute wussten, dass Mutter im Sterben lag und wir ins Hospiz kommen würden. Sie haben draußen auf der Straße gewartet und beschlossen, dich als Ersten zu schnappen.«
    »Diese Tabula existieren nicht und haben nie existiert.«
    »Komm schon, Michael. Ich hab einen der Männer gesehen.«
    »Du hast ja keine Ahnung.« Michael machte ein paar Schritte auf dem Parkplatz und kickte eine leere Dose weg. »Erinnerst du dich noch an den Kauf meines ersten Bürohauses  – was glaubst du, woher ich damals das Geld für das Gebäude an der Melrose Avenue hatte?«
    »Du hast gesagt, es stamme von Investoren drüben an der Ostküste.«
    »Es stammte von Leuten, die ungern Einkommenssteuer
bezahlen. Sie besaßen eine Menge Bargeld, das sie nicht zur Bank bringen konnten. Den größten Teil des Kapitals bekam ich von einem Gangster aus Philadelphia namens Vincent Torrelli.«
    »Wieso hast du mit solchen Leuten Geschäfte gemacht?«
    »Ich hatte keine Wahl.« Michael wirkte trotzig. »Die Banken wollten mir keinen Kredit geben. Außerdem trat ich unter falschem Namen auf. Also habe ich Torrellis Geld genommen und das Gebäude gekauft. Vor einem Jahr wurde in den Nachrichten gemeldet, dass Torrelli vor einem Spielkasino in Atlantic City umgebracht worden war. Da sich weder seine Verwandten noch seine Freunde bei mir meldeten, habe ich aufgehört, Torrellis Anteil an den Mieteinnahmen an ein Postfach in Philadelphia zu schicken. Vincent war ein Geheimniskrämer. Wahrscheinlich hat er niemandem von seiner Investition in Los Angeles erzählt.«
    »Und jetzt hat es jemand herausgefunden?«
    »Ja, das nehme ich an. Es geht nicht um irgendwelche Traveler und dieses ganze verrückte Zeug. Es sind lediglich ein paar Gangster, die meinen, dass ich ihnen Geld schulde.«
    Gabriel ging zurück zum Motorrad. Wenn er nach Osten blickte, sah er das San Fernando Valley. Der Filter aus schmutziger Luft sorgte dafür, dass das Licht der Straßenlaternen unten im Tal nur matt orange schimmerte. In diesem Moment wollte er nichts anderes, als auf sein Motorrad steigen und in die Wüste fahren, wo er in der Einsamkeit die Sterne würde sehen können, während sich der Lichtkegel seines Scheinwerfers ruckelnd über eine unbefestigte Straße bewegte. Verschwinden. Weg von hier. Er würde alles geben, um seine Vergangenheit abzuschütteln, um das Gefühl loszuwerden, in einem riesigen Gefängnis eingesperrt zu sein.
    »Tut mir Leid«, sagte Michael. »Endlich ging es mit meinen Geschäften richtig bergauf. Und jetzt ist alles im Eimer.«
    Gabriel sah seinen Bruder an. Als sie in Texas lebten, hatte
ihre Mutter in einem Jahr vor lauter Sorgen Weihnachten vergessen. Heiligabend fiel aus, aber am nächsten Morgen kam Michael mit einer Tanne und ein paar gestohlenen Videospielen zur Tür herein. Egal, was passieren mochte, sie würden immer Brüder sein – zu zweit gegen den Rest der Welt.
    »Vergiss diese Leute, Michael. Lass uns aus Los Angeles verschwinden.«
    »Gib mir ein oder zwei Tage Zeit. Vielleicht kann ich irgendeinen Deal machen. Fürs Erste steigen wir in einem Motel ab. Nach Hause zu fahren ist zu riskant.«
     
    Gabriel und Michael übernachteten in einem Motel

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