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Traveler - Roman

Traveler - Roman

Titel: Traveler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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beiden Söhne erblickte. »Da seid ihr ja«, sagte sie. »Ich habe eben von euch geträumt.«
    »Wie geht es dir?« Michael musterte sie, um sich ein Bild von ihrem Zustand zu machen. Seine angespannten Schultermuskeln und raschen Handbewegungen verrieten, wie besorgt er war, aber Gabriel wusste, dass sein Bruder es niemals offen zugeben würde. Er überspielte Schwächen, statt sie zu akzeptieren. »Ich finde, du siehst etwas besser aus als neulich.«

    »Ach, Michael.« Sie lächelte ihn nachsichtig an, so als wäre er gerade mit schmutzigen Schuhen über den sauberen Küchenboden gelaufen. »Bitte nicht. Jedenfalls nicht heute Abend. Ich muss euch etwas über euren Vater erzählen.«
    »Wir kennen die Geschichten«, erwiderte Michael. »Erzähl es uns ein andermal, okay? Wir müssen noch mit dem Arzt sprechen, um sicherzugehen, dass hier alles für dich getan wird.«
    »Nein. Lass sie reden.« Gabriel beugte sich über das Bett. Er war aufgeregt und ein bisschen ängstlich. Vielleicht würde er gleich den wahren Grund erfahren – den Grund für das Schicksal seiner Familie.
    »Ich weiß, ich habe euch viele Geschichten erzählt«, sagte Rachel Corrigan. »Verzeiht. Die meisten davon waren unwahr. Aber ich wollte euch beschützen.«
    Michael schaute seinen Bruder an und nickte triumphierend. Gabriel wusste, was Michael in diesem Moment dachte: Da hast du’s. Ich hab’s ja schon immer gesagt: Es war alles erlogen .
    »Ich habe zu lange gewartet«, fuhr sie fort. »Es ist so schwer zu erklären. Euer Vater war … Als er mir erzählte … habe ich es nicht …« Ihre Lippen zitterten, so als drängte es eine Menge von Worten, ausgesprochen zu werden. »Er war ein Traveler.«
    Sie schaute zu Gabriel auf. Glaub mir vermittelte ihr Gesichtsausdruck. Bitte, glaub mir .
    »Sprich weiter«, sagte Gabriel.
    »Die Traveler können ihre Energie aus ihrem Körper hinausprojizieren und in andere Sphären überwechseln. Darum wollen die Tabula sie alle umbringen.«
    »Mom, hör auf damit. Es schwächt dich bloß.« Michael wirkte angewidert. »Wir holen den Arzt, damit er dir ein Medikament gibt.«
    Mrs. Corrigan hob den Kopf vom Kissen. »Dafür ist keine Zeit mehr, Michael. Gar keine Zeit. Ihr müsst mir zuhören.
Die Tabula haben versucht …« Sie schien wieder durcheinander zu kommen. »Und dann sind wir …«
    »Alles in Ordnung, alles in Ordnung«, flüsterte Gabriel beschwörend.
    »Ein Harlequin namens Thorn hat uns damals in Vermont aufgespürt. Harlequins sind gefährlich, sie sind brutal und grausam, aber sie haben einen Eid abgelegt, die Traveler zu beschützen. Ein paar Jahre lang waren wir in Sicherheit, aber dann konnte uns Thorn nicht länger vor den Tabula schützen. Er gab uns Geld und das Schwert.«
    Ihr Kopf sank zurück auf das Kissen. Jedes einzelne Wort strengte sie an, verkürzte weiter ihr Leben. »Ich habe euch aufwachsen sehen«, sagte sie. »Ich habe euch beide beobachtet und nach Anzeichen gesucht. Ich weiß nicht, ob ihr überwechseln könnt. Aber wenn ihr die Fähigkeit besitzt, dann müsst ihr euch vor den Tabula verstecken.«
    Als die Schmerzen ihren ganzen Körper erfassten, kniff sie die Augen zusammen. Verzweifelt legte Michael ihr die Hand aufs Gesicht. »Ich bin bei dir. Gabe auch. Wir werden dich beschützen. Ich werde noch weitere Ärzte engagieren, jeden Arzt, den ich …«
    Mrs. Corrigan atmete tief ein. Ihr Körper verkrampfte sich und erschlaffte dann. Es war, als wäre es in dem Zimmer plötzlich viel kälter, als wäre irgendeine Form von Energie durch den schmalen Spalt unter der Tür entwichen. Michael wandte sich ab, rannte auf den Flur und rief um Hilfe. Aber Gabriel wusste, dass es vergebens war.
     
    Nachdem Dr. Chatterjee offiziell den Tod festgestellt hatte, bekam Michael von einer Pflegerin eine Liste mit örtlichen Bestattungsinstituten und rief eines davon per Handy an. Er nannte die Adresse, erteilte den Auftrag zu einer normalen Einäscherung und gab seine Kreditkartennummer durch.
    »Ist mit dir so weit alles in Ordnung?«, fragte er Gabriel.

    »Ja.« Gabriel fühlte sich erschöpft und wie betäubt. Er starrte hinunter auf den Körper unter dem Laken, der jetzt vollständig bedeckt war. Eine Hülle ohne Licht.
    Sie blieben neben dem Bett stehen, bis zwei Männer von dem Bestattungsinstitut kamen. Die Leiche wurde in einen Sack gesteckt, auf eine Bahre gehoben und nach unten in eine Art Krankenwagen gebracht. Als der Wagen davonfuhr, schauten ihm die

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