Traveler - Roman
ernsthaft dreinblickenden Schwarzen an ihrem Kleid steckte. Es war die einzige Aufnahme, die je von Isaac T. Jones gemacht worden war.
FÜNFZEHN
V ictory From Sin Fraser stand mit ihrem Rosenstrauß mitten im Flughafenterminal. Genau wie die meisten Mitglieder ihrer Kirche, hatte sie Shepherd bei einem seiner gelegentlichen Aufenthalte in Los Angeles kennen gelernt. Mit seinem jovialen Lächeln und seiner eleganten Kleidung kam er Vicki so bürgerlich vor, dass sie kaum glauben konnte, es bei ihm mit einem Harlequin zu tun zu haben. In ihrer Phantasie waren Harlequins exotische Krieger, die Wände hochgehen und Kugeln mit den Zähnen abfangen konnten. Immer wenn sie Zeuge grausamer Handlungen wurde, wünschte sie, ein Harlequin würde durch eine Fensterscheibe oder von einem Dach springen, um auf der Stelle für Gerechtigkeit zu sorgen.
Vicki wandte den Blick vom Informationsschalter ab und sah eine Frau mit einem Kleidersack aus Leinen, einer Kameratasche und einem Stativ auf sich zugehen. Sie trug eine dunkle Sonnenbrille und hatte kurzes braunes Haar. Der Körper der Frau war schlank, ihr Gesicht jedoch hässlich aufgequollen. Als sie näher kam, stellte Vicki fest, dass die junge Frau brutal und gefährlich wirkte, mühsam beherrschte Leidenschaftlichkeit ausstrahlte.
Die Frau blieb vor Vicki stehen und musterte sie. »Warten Sie auf mich?« Sie sprach mit leicht britischem Akzent.
»Ich bin Vicki Fraser. Ich soll hier jemand abholen, der mit einem Freund meiner Kirchengemeinde bekannt ist.«
»Sie meinen vermutlich Mr. Shepherd.«
Vicki nickte. »Er hat mich gebeten, mich um Sie zu kümmern,
bis er einen sicheren Treffpunkt gefunden hat. Er wird nämlich beobachtet.«
»Okay. Gehen wir.«
Sie verließen inmitten zahlreicher anderer Leute den Terminal für Auslandsflüge, überquerten eine schmale Straße und betraten ein vierstöckiges Parkhaus. Die Frau lehnte Vickis Angebot ab, das Gepäck zu tragen. Immer wieder schaute sie über die Schulter, so als rechnete sie damit, verfolgt zu werden. Als Vicki vor ihr die Betonstufen hochstieg, packte die Frau sie plötzlich am Arm und zog sie zu sich herum.
»Wohin bringen Sie mich?«
»Ich … ich habe im ersten Stock geparkt.«
»Wir gehen wieder nach unten.«
Sie kehrten ins Erdgeschoss zurück. Eine Latinofamilie, die sich angeregt auf Spanisch unterhielt, lief an ihnen vorbei und die Treppe hinauf. Die Frau blickte sich rasch um. Niemand zu sehen. Sie stiegen wieder die Treppe empor, und Vicki führte die Frau zu einem viertürigen Chevrolet mit einem Aufkleber an der Heckscheibe. Die Botschaft des Aufklebers lautete: »Höre die Wahrheit! Isaac T. Jones ist für DICH gestorben!«
»Wo ist die Pistole?«
»Welche Pistole?«
»Ich sollte von Ihnen Waffen, Geld und einen amerikanischen Pass bekommen. Das ist so üblich.«
»Tut mir Leid, Miss … Miss Harlequin. Davon hat Mr. Shepherd nichts gesagt. Er hat mir bloß den Auftrag gegeben, Sie am Flughafen abzuholen und als Erkennungszeichen etwas Rautenförmiges bei mir zu tragen. Meine Mutter wollte nicht, dass ich hinfahre, aber ich hab’s trotzdem getan.«
»Machen Sie den Kofferraum auf.«
Vicki fummelte mit den Autoschlüsseln herum und öffnete ihn. Er war voller Metalldosen und Plastikflaschen, die sie zum Recyclinghof bringen wollte. Es war ihr peinlich, dass der Harlequin den Verpackungsmüll sah.
Die junge Frau legte ihre Kameratasche und das Stativ in den Kofferraum. Sie schaute sich um. Ohne ein Wort der Erklärung holte sie aus den Füßen des Stativs zwei Messer und ein Schwert. Das alles war Vicki viel zu drastisch. Die Harlequins in ihren Träumen trugen goldene Schwerter und schwangen sich an Seilen durch die Luft. Die Waffe vor ihren Augen war ein echtes Schwert und sah sehr scharf aus. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, doch dann fiel ihr ein Zitat aus Die gesammelten Briefe des Isaac T. Jones ein.
»Wenn der letzte Bote erscheint, wird der Böse in die finsterste Sphäre hinabfahren, und die Schwerter werden sich in Licht verwandeln.«
»Klingt hübsch.« Der Harlequin schob das Schwert in eine schwarze Röhre mit Schultergurt. »Aber bis dahin bleibt meine Klinge scharf.«
Als sie in den Wagen stiegen, stellte die Frau den rechten Außenspiegel so ein, dass sie sehen konnte, ob ihnen ein anderer Wagen folgte. »Fahren Sie los. Irgendwohin, wo es keine Überwachungskameras gibt.«
Sie verließen das Parkhaus, bogen erst auf den ringförmigen Flughafenzubringer in
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