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Traveler - Roman

Traveler - Roman

Titel: Traveler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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wollen –«
    »Ich will mir aber nicht das Genick brechen! Hören Sie auf, von mir Dinge zu verlangen, zu denen Sie selbst nicht in der Lage sind.«
    Sophia stellte die Lampe auf den Sims, trat wie eine Hochseilartistin auf den Stahlträger, lief behände bis in die Mitte, bückte sich und hob den Penny auf. Dann sprang die alte Frau hoch in die Luft, vollführte dabei eine halbe Drehung und landete auf einem Fuß. Sekunden später stand sie wieder auf dem Sims und schnippte den Penny in Gabriels Richtung.
    »Ruhen Sie sich ein bisschen aus. Sie waren länger wach, als
Sie glauben.« Sie nahm die Lampe und ging zum Haupttunnel. »Wenn ich zurückkomme, probieren wir den siebenundzwanzigsten Pfad aus. Er ist ziemlich alt und stammt von Hildegard von Bingen, einer deutschen Nonne aus dem zwölften Jahrhundert.«
    Wütend warf Gabriel den Penny weg und folgte ihr. »Wie lange bin ich schon hier unten?«
    »Machen Sie sich deswegen keine Sorgen.«
    »Ich mache mir keine Sorgen, ich will es bloß wissen. Wie lange bin ich schon hier, und wie viele Tage muss ich noch bleiben?«
    »Gehen Sie schlafen. Und vergessen Sie das Träumen nicht.«
     
    Gabriel dachte daran aufzugeben, entschied sich aber dagegen. Wenn er das täte, müsste er Maya gegenüber diesen Entschluss begründen. Wenn er noch ein paar Tage blieb und scheiterte, würde niemanden interessieren, was er danach tat.
    Schlaf. Ein weiterer Traum. Als Gabriel den Blick hob, stand er im Innenhof eines großen Gebäudes aus Ziegelsteinen. Es schien ein Kloster oder eine Schule zu sein. Menschen waren nicht zu sehen. Auf dem Boden lagen Papierfetzen, die ein Windstoß in die Höhe wirbelte.
    Gabriel drehte sich um und betrat durch eine offene Tür einen langen Flur mit zerbrochenen Fensterscheiben auf der rechten Seite. Nirgends waren Leichen oder Blutflecken zu sehen, aber er wusste instinktiv, dass hier ein Kampf stattgefunden hatte. Durch die kaputten Fenster wehte der Wind herein. Ein liniertes Blatt Papier aus einem Notizheft segelte über den Boden. Er ging zum Ende des Flurs, bog um eine Ecke und sah eine schwarzhaarige Frau auf dem Boden sitzen, die einen Mann auf dem Schoß hatte. Als er näher herantrat, erkannte er, dass es sich dabei um seinen Körper handelte. Seine Augen waren geschlossen, und er schien nicht zu atmen.

    Die Frau sah hoch und strich sich ihr langes Haar aus dem Gesicht. Es war Maya. Ihre Kleidung war blutig, ihr Schwert lag zerbrochen neben ihr. Sie hielt seinen Körper fest umklammert, schaukelte ihn vor und zurück. Aber das Schlimmste war, dass der Harlequin weinte.
     
    Gabriel erwachte in einer derart undurchdringlichen Finsternis, dass er nicht wusste, ob er tot oder am Leben war. »Hallo!«, rief er, und das Wort hallte von den Betonwänden des Raums wider. Anscheinend war etwas mit dem Generator oder dem Stromkabel passiert, denn keine einzige der Glühbirnen brannte. Um nicht in Panik zu geraten, griff er neben das Klappbett und nahm seine Gaslampe und eine Packung Streichhölzer. Die Helligkeit der Streichholzflamme erstaunte ihn. Er zündete die Lampe an, sodass ihr Schein den Raum erleuchtete.
    Während er noch mit dem Glaszylinder beschäftigt war, hörte er ein rasselndes Geräusch. Gabriel drehte sich ein wenig nach links und sah, wie sich fünfzig Zentimeter von seinem Bein entfernt eine Klapperschlange aufrichtete. Irgendwie war das Tier in die Abschussbasis geraten und von Gabriels Körperwärme angezogen worden. Der Schwanz der Schlange vibrierte, und sie bewegte den Kopf ein wenig nach hinten – ein Anzeichen, dass sie gleich zuschnappen würde.
    Urplötzlich schnellte eine riesige Königsnatter aus der Dunkelheit hervor und biss die Klapperschlange direkt unter dem Kopf. Die beiden Schlangen fielen zu Boden, und die Königsnatter wickelte sich um ihre Beute.
    Gabriel packte die Lampe und hastete aus dem Raum. Wegen der Dunkelheit im Tunnel brauchte er fünf Minuten, bis er die Treppe gefunden hatte, die zum Notausgang führte. Mit dumpf polternden Stiefelschritten rannte er zur Luke hinauf.
    Er kam oben an, versuchte, sie hochzuschieben, und stellte fest, dass er eingesperrt war.

    »Sophia!«, rief er. »Sophia!« Keine Reaktion. Gabriel kehrte in den Haupttunnel zurück. Seine Versuche, ein Traveler zu werden, waren sämtlich gescheitert. Es kam ihm sinnlos vor weiterzumachen. Da Sophia offenbar die Luke abgeschlossen hatte, musste er eben versuchen, über einen der Silos ins Freie zu gelangen.
    Gabriel lief

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