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Traveler - Roman

Traveler - Roman

Titel: Traveler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Schritt auf Gabriel zu. Sie griff nach seinem Gürtel und zog ruckartig daran. Gabriel hatte das Gefühl, als zerrisse etwas in ihm. Und dann spürte er, wie das Licht aus seinem Käfig ausbrach und hinaufschwebte, während sein Körper gleichzeitig zusammensackte und vornüber zu Boden fiel. Er war verängstigt, wollte unbedingt zurück in den ihm vertrauten Zustand.
    Gabriel blickte auf seine Hände und sah, dass sie sich in Hunderte von Lichtpunkten verwandelt hatten, die alle deutlich unterscheidbar funkelten, so als wären es Sterne. Sophia
kniete sich neben den zurückgelassenen Körper, der Traveler hingegen schwebte nach oben durch die Betondecke.
    Als er sich in einen konzentrierten Energiepunkt verwandelte, schienen die Sterne näher aneinander zu rücken. Er war wie ein Ozean in einem einzigen Wassertropfen, wie ein Berg, komprimiert zu einem Sandkorn. Und dann gelangte das Partikel, das seine Energie, seine wahre Identität enthielt, in eine Art Kanal oder Durchgang, in dem er vorwärts gesogen wurde.
    Dieser Moment dauerte womöglich tausend Jahre oder auch nur einen Herzschlag; er hatte sein Zeitgefühl völlig verloren, wusste nur, dass er sich sehr schnell bewegte, durch die Dunkelheit raste, dem Verlauf eines gebogenen Raums folgte. Und dann stoppte die Bewegung, und die Transformation begann. Ein einziger Atemzug, essentieller als Lungen und Sauerstoff, erfüllte sein ganzes Wesen.
    Los jetzt. Finde den Weg.

VIERUNDVIERZIG
    G abriel schlug die Augen auf und stellte fest, dass er durch einen blauen Himmel fiel. Er schaute nach unten, nach rechts und links, sah aber nichts. Unter ihm war rein gar nichts. Kein Landeplatz, der ihm als Ziel hätte dienen können. Dies war die Grenze aus Luft. Ihm wurde klar, dass er schon immer von ihrer Existenz wusste. In seinem bisherigen Leben hatte er versucht, dieses Gefühl mit dem Fallschirmspringen heraufzubeschwören.
    Aber nun gab es weder ein Flugzeug, aus dem er abgesprungen war, noch die unvermeidliche Landung auf der Erde. Gabriel schloss für eine Weile die Augen, dann öffnete er sie wieder. Er wölbte den Rücken und breitete die Arme aus, um seine Bewegungen in der Luft zu steuern. Halten Sie nach dem Durchgang Ausschau. Das hatte Sophia zu ihm gesagt. Es existierte ein Durchgang, der durch alle vier Grenzen in die anderen Sphären führte. Er drehte sich nach rechts und segelte kreisend hinunter, so wie ein Falke auf der Suche nach Beute.
    Zeit verging, und dann entdeckte er in der Ferne eine dünne schwarze Linie, die einem schwebenden Schatten glich. Gabriel streckte die Arme aus, hörte auf, sich zu drehen, änderte die Richtung und flog nun rasch nach schräg links unten. Der Schatten nahm eine ovale Form an, und Gabriel glitt in seine dunkle Mitte hinein.
     
    Erneut spürte er das Komprimieren von Licht, eine Vorwärtsbewegung und den Leben spendenden Atem. Als er die Augen
aufschlug, stellte er fest, dass er mitten in einer Wüste stand, deren roter Sandboden rissig war, so als ränge die darunter liegende Schicht nach Luft. Gabriel drehte sich herum und betrachtete seine neue Umgebung. Der Himmel über ihm war saphirblau. Obwohl er nirgends eine Sonne entdecken konnte, strahlte hinter dem gesamten Horizont Licht. Keine Felsen oder Pflanzen. Keine Berge oder Täler. Er befand sich an der Erdgrenze, dem einzig Vertikalen in einer völlig ebenen Landschaft.
    Gabriel marschierte los. Als er wieder anhielt und sich umschaute, bot sich ihm derselbe Anblick wie zuvor. Er kniete sich nieder und berührte den roten Sand mit den Fingern. Er brauchte einen Fixpunkt in der Landschaft, der ihm seine eigene Existenz bestätigte. Er lockerte mit Händen und Füßen den Sand und schob so viel davon zusammen, bis er einen etwa fünfundzwanzig Zentimeter hohen Sandhügel aufgehäuft hatte.
    Wie ein kleines Kind, das einen Becher auf den Boden geworfen und dadurch die Welt verändert hat, lief er mehrmals um den Hügel herum, nur um sich zu vergewissern, dass es ihn noch immer gab. Erneut machte er sich auf den Weg und zählte dabei seine Schritte. Fünfzig. Achtzig. Hundert. Doch als er über seine Schulter blickte, war der Hügel bereits verschwunden.
    Gabriel geriet in Panik. Er setzte sich hin, schloss die Augen, ruhte sich aus und erhob sich dann wieder, um weiterzumarschieren. Während er nach dem Durchgang Ausschau hielt, fühlte er sich zunehmend mutlos und einsam. Ein Weile kickte er mit den Stiefelspitzen Sand in die Höhe. Kleine Brocken flogen

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