Traveler - Roman
haben wir es verkabelt. Sie sind der Kundschafter, der eine Straßenkarte für unsere Freunde zeichnen wird. Man hat versprochen, uns für den Fall, dass Sie in eine andere Sphäre überwechseln, die Anleitungen zur Konstruktion eines noch leistungsfähigeren Computers zu übermitteln.«
Michael trat dichter an den Quantencomputer heran und verfolgte die kleinen Lichtblitze. Nash glaubte, sich mit allen Varianten von Macht auszukennen, aber Michael begriff plötzlich, wie beschränkt die Gedankenwelt des Generals war. Die Bruderschaft schien so fixiert auf das Ziel, die Menschheit unter ihre Kontrolle zu bringen, dass ihr Blick nicht besonders weit reichte. Ich bin der Torwächter, dachte Michael. Derjenige, der die Kontrolle hat. Sollte diese andere Zivilisation tatsächlich
in unsere Welt gelangen wollen, dann entscheide ich, ob und wie das geschieht.
Er atmete tief durch und wandte sich vom Quantencomputer ab. »Sehr beeindruckend, Herr General. Wir werden gemeinsam Großes vollbringen.«
SIEBENUNDVIERZIG
M aya bog auf dem Weg zu der stillgelegten Raketenabschussbasis falsch ab und verfuhr sich völlig. Daher war es bereits später Nachmittag, als sie an dem Stacheldrahtzaun und dem kaputten Tor ankam.
Sie fühlte sich in dunkler, maßgeschneiderter Kleidung am wohlsten, aber darin hätte sie hier zu viel Aufmerksamkeit erregt. In Las Vegas hatte sie sich bequeme Hosen, Röcke und Tops angeschafft. Momentan trug sie einen Baumwollpullover und einen Faltenrock, der zu einer britischen Schülerin gepasst hätte. Außerdem Springerstiefel mit Metallkappen – sehr nützlich, wenn man Tritte austeilte.
Sie stieg aus dem Lieferwagen, hängte sich den Schwertköcher über die Schulter und warf dann einen Blick in den Rückspiegel. Das war ein Fehler. Ihr zerzaustes Haar glich einem Vogelnest. Ist doch egal, sagte Maya sich. Du hast bloß die Aufgabe, ihn zu beschützen. Sie stapfte zum Tor, zögerte und kehrte dann, ohne es zu wollen, zum Wagen zurück. Während sie sich das Haar bürstete, war sie so wütend auf sich, dass sie sich fast laut beschimpft hätte. Du Idiotin, dachte sie. Dämliche Idiotin. Du bist ein Harlequin. Er macht sich nichts aus dir. Als sie fertig war, schleuderte sie die Bürste wütend auf den Sitz.
Die Wüstenluft hatte sich schon merklich abgekühlt, und Dutzende von Königsnattern waren aus ihren Verstecken gekrochen und schlängelten sich über die Straße. Weil sie niemanden sah, zog sie ihr Schwert, um vorbereitet zu sein, falls ihr eines der Reptilien zu nahe kam. Dieses Eingeständnis ihrer
Furcht brachte sie noch mehr in Rage als die Sache mit der Bürste. Diese Schlangen sind nicht gefährlich, schimpfte sie mit sich selbst. Sei kein Angsthase.
Doch alle angenehmen Gedanken verflogen, als sie den Wohnwagen der Wegweiserin erblickte. Gabriel saß an dem Picknicktisch unter dem aufgespannten Fallschirm. Als er sie entdeckte, stand er auf und winkte. Maya betrachtete sein Gesicht. Wirkte er verändert? Gabriel lächelte, so als wäre er gerade von einer langen Reise zurückgekehrt. Er schien froh zu sein, sie wiederzusehen.
»Neun Tage bin ich jetzt schon hier«, sagte er. »Ich habe mir Sorgen gemacht, als Sie gestern Abend nicht aufgetaucht sind.«
»Martin Greenwald hat mir per Internet eine Nachricht geschickt. Da er nichts von Sophia gehört hatte, nahm er an, alles sei in Ordnung.«
Die Wohnwagentür ging auf. Sophia Briggs kam mit einem Krug und drei Bechern heraus. »Und es ist tatsächlich alles in Ordnung. Guten Abend, Maya. Freut mich, Sie zu sehen.« Sophia stellte den Krug auf den Tisch und warf Gabriel einen Blick zu. »Haben Sie’s ihr schon erzählt?«
»Nein.«
»Er hat alle vier Grenzen überwunden«, berichtete sie Maya. »Ab sofort haben Sie einen Traveler zu beschützen.«
Zuerst fühlte Maya sich in ihrem Tun bestätigt. Für den Schutz eines Travelers lohnten sich alle Opfer. Aber dann schossen ihr düstere Gedanken durch den Kopf. Ihr Vater hatte Recht gehabt: Die Tabula waren zu mächtig geworden. Irgendwann würden sie Gabriel aufspüren und umbringen. Alles, was sie getan hatte – ihn finden, ihn zu der Wegweiserin bringen –, hatte ihn nur der Vernichtung näher gebracht.
»Das ist ja großartig«, sagte Maya. »Heute Morgen hatte ich Kontakt zu meinem Bekannten in Paris. Unser Spion hat ihm berichtet, dass Michael ebenfalls transzendiert hat.«
Sophia nickte. »Das wussten wir bereits. Gabriel ist ihm begegnet, kurz bevor er die
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