Traveler - Roman
verschwinden.«
Gabriel trug Maya zu der Brandschutztür am Ende des Tunnels. Hollis zündete die Brennlampe an, stellte die zischende bläuliche Flamme richtig ein und warf dann den Brenner in Richtung der Chemikalien. Sie bogen in einen anderen Tunnel ab. Ein paar Sekunden später war ein lauter Knall zu hören. Der Luftdruck hatte die Brandschutztür gesprengt.
Als Maya erneut die Augen öffnete, stiegen sie Betonstufen hinunter. Es gab eine zweite, sehr viel lautere Explosion, die klang, als würde das Gebäude bombardiert. Der Strom fiel aus, und sie verharrten reglos in der Dunkelheit, bis Hollis die Taschenlampe angeknipst hatte. Maya versuchte, bei Bewusstsein zu bleiben, dämmerte jedoch immer wieder für einige Momente weg. Sie hörte wie aus weiter Ferne Gabriels Stimme und spürte, wie ihr ein Seil um die Schultern geschlungen wurde und man sie durch das Belüftungsrohr nach oben zog. Dann lag sie rücklings auf dem feuchten Gras und starrte in den Sternenhimmel. Sie vernahm weitere Explosionen und die Sirene eines Polizeiwagens, aber das spielte jetzt alles keine Rolle mehr. Maya wusste, dass sie verblutete. Es kam ihr so vor, als würde alles Leben in ihr von dem kühlen Boden aufgesogen.
»Hörst du mich?«, fragte Gabriel. »Maya?«
Sie wollte mit ihm reden, ihm zum Abschied etwas sagen, aber jemand hatte ihr die Stimme geraubt. An den Rändern ihres Gesichtsfeldes bildete sich eine schwarze Flüssigkeit und breitete sich dann rasch aus, so wie Tinte in einem Glas Wasser.
SECHZIG
G egen sechs Uhr früh blickte Nathan Boone hinauf in den Himmel über dem Forschungsgelände und sah einen schwachen Schimmer Morgenlicht. Seine Haut und seine Kleidung waren voller Ruß. Das Feuer in den Tunneln war allem Anschein nach unter Kontrolle, aber aus den Lüftungsrohren quoll noch immer schwarzer, beißender Rauch. Es sah aus, als brenne die Erde.
Um das Karree herum standen Feuerwehrautos und Polizeiwagen. Die Nacht über hatten ihre roten Blinklichter hell und penetrant gestrahlt. Jetzt, bei Anbruch der Dämmerung, schienen sie nur noch matt zu leuchten. Die Feuerwehrschläuche schlängelten sich von den Pumpwagen bis zu den Düsen. Einige der Schläuche spritzten immer noch Wasser in die Tunnel. Feuerwehrmänner mit verdreckten Gesichtern standen in Grüppchen beisammen und tranken Kaffee aus Pappbechern.
Boone hatte sich zwei Stunden zuvor einen Überblick über die Lage verschafft. Die Explosionen im Tunnelsystem und der daraus resultierende Stromausfall hatten in jedem Gebäude Schäden verursacht. Offenbar war auch der Quantencomputer teilweise zerstört worden. Ein junger Computertechniker hatte geschätzt, dass es ein knappes Jahr dauern werde, um ihn vollständig zu reparieren. Die Keller waren überflutet, sämtliche Labors und Büros rauchgeschwärzt. Ein computergesteuerter Kühlschrank im genetischen Forschungslabor funktionierte nicht mehr, was etliche Experimente zur Züchtung neuer Splicer ruiniert hatte.
Die Zerstörung kümmerte Boone jedoch nur wenig. Es hätte ihn auch nicht besonders gestört, wenn alle Gebäude auf dem Gelände in Schutt und Asche liegen würden. Die eigentliche Katastrophe war, dass ein Harlequin und ein aktiver Traveler hatten fliehen können.
Sein Plan, sofort die Verfolgung der beiden aufzunehmen, war durch den schlecht ausgebildeten Wachmann am Eingang zum Areal vereitelt worden. Nach der ersten Explosion hatte der junge Mann die Nerven verloren und Polizei und Feuerwehr alarmiert. Zwar hatte die Bruderschaft weltweit Einfluss auf Regierungen, es war ihr aber nicht möglich, mehrere Trupps pflichteifriger amerikanischer Feuerwehrmänner aufzuhalten. Während die Feuerwehr bereits mit dem Löschen begann, sorgte Boone dafür, dass General Nash und Michael Corrigan in einem bewachten Konvoi das Gelände verließen. Anschließend kümmerte er sich um die Beseitigung der Leichen von Shepherd und der drei Männer im Verwaltungsgebäude.
»Mr. Boone? Entschuldigen Sie bitte, Mr. Boone …«
Er blickte über die Schulter und sah einen gewissen Vernon McGee, den Zugführer der Feuerwehr, auf sich zukommen. Der kleine, stämmige Mann war schon seit Mitternacht im Einsatz, wirkte aber noch immer energiegeladen, fast fröhlich. Boone vermutete, dass Feuerwehrleute aus einer Stadt wie Purchase es aufregend fanden, einmal etwas anderes zu tun, als immer nur Hydranten zu kontrollieren und Katzen von Bäumen zu retten.
»Ich werde jetzt die Gebäude
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