Traveler - Roman
Stilette, Schlagringe, Video-Raubkopien und SIM-Karten an. Für ein paar zusätzliche Pfund aktivierten sie die Karte, indem sie eine Kreditkarte benutzten, die auf den Namen einer Tarnfirma lief. Obwohl die Behörden technisch dazu in der Lage waren, Telefonate abzuhören, konnten sie in solchen Fällen die Gespräche nicht zu den Handy-Benutzern zurückverfolgen. Es war dem System ein Leichtes, Bürger mit festem Wohnsitz und Bankkonto zu überwachen. Harlequins hingegen verfügten über einen schier endlosen Vorrat
an SIM-Karten und Personalausweisen. Alles außer ihrem Schwert wurde von ihnen nur ein paarmal benutzt und dann wie Bonbonpapier weggeworfen.
Maya rief in ihrer Firma an und behauptete, ihr Vater habe Krebs, und sie müsse fristlos kündigen, um ihn zu pflegen. Ned Clark, einer der Fotografen, die für das Designstudio arbeiteten, nannte ihr den Namen eines Homöopathen und fragte sie dann, ob sie Ärger mit dem Finanzamt habe.
»Nein. Wieso fragst du?«
»Ein Mann von der Steuerfahndung war im Büro und hat sich nach dir erkundigt. Er hat mit der Personalabteilung gesprochen und Auskunft über deine Gehaltsabrechnungen, deine Adresse und deine Telefonnummer verlangt.«
»Und hat er sie bekommen?«
»Ja, natürlich.« Clark senkte die Stimme. »Falls du einen Wohnsitz in der Schweiz hast, würde ich mich schnellstens dahin absetzen. Zum Teufel mit dem ganzen Pack. Wer zahlt schon gerne Steuern?«
Maya wusste nicht, ob es sich bei dem Mann tatsächlich um einen Steuerfahnder gehandelt hatte oder um einen Söldner der Tabula mit gefälschtem Dienstausweis. Klar war, dass nach ihr gesucht wurde. In der Wohnung lag der Schlüssel zu einem angemieteten Abstellraum in einem Lagerhaus in Brixton. Sie war als Kind mit ihrem Vater öfter dort gewesen, aber das letzte Mal lag schon viele Jahre zurück. Nachdem sie das Lagerhaus mehrere Stunden lang beobachtet hatte, ging sie hinein, zeigte beim Pförtner ihren Schlüssel vor und fuhr mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock. Der Abstellraum war fensterlos und kaum größer als ein Wandschrank. Viele Leute benutzten das Lagerhaus zur Aufbewahrung von Weinflaschen, deshalb wurde die Temperatur durch Klimaanlagen niedrig gehalten. Maya schaltete das Deckenlicht ein, verschloss die Tür und durchsuchte die eingelagerten Kartons.
In ihrer Jugend hatte ihr Vater ihr dabei geholfen, sich vierzehn
Pässe verschiedener Länder zuzulegen. Harlequins besorgten sich die Geburtsurkunden der Opfer von Verkehrsunfällen und benutzten sie dann, um offizielle Personalausweise zu beantragen. Leider waren die meisten davon unbrauchbar geworden, seit die Regierung biometrische Daten sammelte – Fingerabdrücke und Aufnahmen von Gesichts- und Irisscans – und sie auf einem Chip im Reisepass der Bürger speicherte. Wenn die Daten auf dem Chip mit einem Scanner eingelesen wurden, fand automatisch ein Abgleich mit dem Eintrag im britischen National Identity Register statt. Bei Flügen in die USA mussten die Daten des Reisepasses mit denen der Iris-und Fingerabdruckscans übereinstimmen, die auf dem Flughafen vorgenommen wurden.
Sowohl die USA als auch Australien stellten neuerdings Pässe mit einem Chip aus, der per Funk abgefragt werden konnte. Diese Pässe erleichterten die Einreisekontrollen, aber sie verschafften der Tabula auch ein sehr effektives Hilfsmittel beim Aufspüren ihrer Feinde. Ein Gerät namens Skimmer konnte die Daten eines Passes einlesen, auch wenn er in einem Jackett oder einer Handtasche steckte. Skimmer wurden in Fahrstühlen oder an Bushaltestellen installiert, an Orten, an denen sich Menschen für eine kurze Zeit aufhielten. Während ein Büroangestellter auf dem Weg in die Kantine war, lud der Skimmer eine Vielzahl personenbezogener Daten herunter. Möglicherweise sollte mit Hilfe des Skimmers nach Namen gesucht werden, welche die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe oder Religion nahe legten. Man fand das Alter eines Bürgers heraus, seine Adresse, seine Fingerabdruckdaten – und auch, in welche Länder er in den letzten Jahren gereist war.
Die technologischen Neuerungen zwangen Maya, sich auf drei Notfallpässe zu verlassen, die mit drei verschiedenen Versionen ihrer biometrischen Daten übereinstimmten. Es war noch immer möglich, das System zu täuschen, aber das erforderte Einfallsreichtum und die nötigen Mittel.
Als Erstes musste man sein Aussehen verändern. Programme zur optischen Identifizierung fotografierten mehrere
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