Traveler - Roman
herauszuholen und ihn dann zu töten.«
Mit dem Geschirrtuch in der Hand drehte Vicki sich um. »Das habe ich Hollis auch gesagt, aber er hat nur einen Witz
gemacht. Er sagte, dass er sowieso immer auf der Suche nach neuen Trainingspartnern ist.«
»Ich denke, Hollis kann selbst auf sich aufpassen. Er ist ein ausgezeichneter Kämpfer.«
»Er ist viel zu siegessicher. Ich finde, er sollte …«
Das Fliegenschutzgitter quietschte, und Hollis kam herein. »Okay. Ich habe meine Einkaufsliste.« Er lächelte Vicki zu. »Wieso kommst du nicht mit? Wir kaufen einen neuen Reifen und besorgen anschließend noch was zum Mittagessen.«
»Brauchen Sie Geld?«, fragte Maya.
»Haben Sie welches?«
Maya griff in ihre Tasche und zog einige Zwanzigdollarscheine heraus. »Zahlen Sie bar. Verlassen Sie den Laden sofort, nachdem Sie den Reifen gekauft haben.«
»Hab keinen Grund herumzutrödeln.«
»Meiden Sie Geschäfte mit videoüberwachtem Parkplatz. Die Kameras können Nummernschilder ablichten.«
Maya verfolgte, wie Hollis und Vicki losfuhren. Gabriel hielt sich immer noch draußen in der Einfahrt auf und zog den Reifen von der Motorradfelge. Maya überzeugte sich, dass das Tor zur Einfahrt ganz geschlossen war. Niemand durfte Gabriel im Vorbeifahren sehen. Sie überlegte, ob sie den nächsten Schritt mit ihm besprechen sollte, entschied aber dann, zunächst Linden zu fragen. Gabriel schien noch ganz überwältigt von dem, was sie ihm gestern erzählt hatte. Wahrscheinlich brauchte er noch etwas Zeit, um darüber nachzudenken.
Maya ging wieder ins Schlafzimmer, schaltete ihren Laptop an und wählte sich über das Satellitentelefon ins Internet ein. Entweder schlief Linden, oder er war nicht in der Nähe seines Computers. Sie benötigte eine Stunde, um ihn zu finden und ihm in einen sicheren Chatroom zu folgen. Sie berichtete, was geschehen war. Sie drückte sich unverfänglich aus, um Carnivore nicht zu alarmieren.
»Die Konkurrenz hat mit einer aggressiven Marketingstrategie
reagiert. Zurzeit halte ich mich mit unserem neuen Teilhaber im Haus eines Mitarbeiters auf.« Maya benutzte einen Code, der auf zufällig gewählten Primzahlen basierte, um Linden die Adresse mitzuteilen.
Der französische Harlequin antwortete nicht. Nach fünf Minuten tippte Maya erneut: »Verstanden?«
»Ist unser neuer Teilhaber in der Lage, Fernreisen anzutreten?«
»Noch nicht.«
»Erkennst du irgendwelche Anzeichen für diese Fähigkeit?«
»Nein. Er ist ein ganz normaler Bürger.«
»Du musst ihn einem Lehrer vorstellen, der seine Kräfte beurteilen kann.«
»Das liegt nicht in unserem Aufgabenbereich«, schrieb Maya. Harlequins waren dazu da, Traveler aufzuspüren und zu beschützen. Sie mischten sich nicht in die spirituellen Reisen anderer ein.
Wieder gab es eine minutenlange Verzögerung, so als müsste Linden über seine Antwort nachdenken. Schließlich erschienen die Wörter auf dem Bildschirm. »Unsere Konkurrenten haben den älteren Bruder unter ihrer Kontrolle und ihn per Flugzeug in eine Forschungseinrichtung nahe New York City gebracht. Sie planen, seine Tauglichkeit zu überprüfen und ihn auszubilden. In diesem Moment wissen wir nichts über ihr Fernziel. Dennoch müssen wir alle zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um sie zu stoppen.«
»Und unser neuer Teilhaber ist unser wichtigstes Mittel?«
»Korrekt. Ein Rennen hat begonnen. Momentan liegt die Konkurrenz vorn.«
»Und wenn er nicht kooperiert?«
»Setz alle erforderlichen Mittel ein, um ihn umzustimmen. Im Südwesten der Vereinigten Staaten lebt ein Lehrer unter dem Schutz einer befreundeten Gruppe. Bring den Teilhaber
in drei Tagen dorthin. In der Zwischenzeit werde ich unsere Freunde kontaktieren und ihnen mitteilen, dass du unterwegs bist. Euer Reiseziel ist …« Wieder eine Pause, dann erschien ein langer Zahlencode auf dem Bildschirm.
»Übertragung bestätigen«, schrieb Linden.
Maya antwortete nicht.
Die Wörter erschienen nochmals, diesmal in Großbuchstaben, die ihre Zustimmung einforderten. »ÜBERTRAGUNG BESTÄTIGEN.«
Antworte ihm nicht, dachte Maya. Sie spielte mit dem Gedanken, auf der Stelle das Haus zu verlassen und Gabriel über die Grenze nach Mexiko zu bringen. Das wäre das Sicherste. Einige Sekunden vergingen, dann legte sie ihre Finger auf die Tastatur und tippte langsam »Information erhalten« ein.
Der Bildschirm wurde schwarz, Linden war verschwunden. Maya entschlüsselte die Zahlenreihe mit Hilfe ihres Computers und
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