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Treffpunkt Irgendwo

Titel: Treffpunkt Irgendwo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fuchs
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weg?
    »Hallo!« Meine Stimme klang seltsam heiser. »Herr Polizist!« Ich konnte nicht einmal das Gesicht des Mannes sehen, den ich ansprach. Mit dem heruntergeklappten Visier sah er aus wie aus Star Trek. Keine Reaktion.
    Ich sah mich panisch um. Mit mir waren in der engen Straße etwa zwanzig bis dreißig Leute eingekesselt. Ein paar Punks wie mein Handydieb, andere vermummt mit schwarzen Wollmützen oder Tüchern. Autonome. Typen, wie ich sie nur aus dem Fernsehen kannte. Oh shit, ich war in irgend so eine beschissene Polizeiaktion geraten. Kannte man ja aus der Tageszeitung und der Abendschau. Ein Haus wurde geräumt, eine Botschaft besetzt oder einfach nur 1. Mai. Aber irgendwie passierte so was immer nur im Fernsehen und hatte nichts mit mir, dem Mädchen aus Marienfelde, zu tun.
    »Entschuldigen Sie!« Erneut wandte ich mich an einen der Polizisten. »Können Sie mir bitte helfen! Ich – der da drüben hat mein Handy geklaut. Hallo!«
    Immer noch keine Reaktion.
    »Ich gehöre nicht zu denen!«
    Der Ring aus Polizisten drängte uns die Straße entlang, weitere Männer in grünen Kampfanzügen stießen hinzu, verstärkten die Reihen.
    »Du da!« Endlich, einer der Polizisten hatte mich bemerkt. »Herkommen!« Er packte mich am Arm und zog mich aus dem Kreis heraus. »Deinen Ausweis, kannst du dich ausweisen!«
    Natürlich hatte ich meinen Ausweis dabei. Ohne hätte ich ja keine Chance gehabt, ins Brunnen70 reinzukommen. Mir wurde oft nicht geglaubt, dass ich schon siebzehn war. Ich kramte ihn aus der Tasche und gab ihn dem Mann vor mir. Der hielt ihn unter so ein komisches Lesegerät, dann bekam ich ihn zurück. Wir hatten kein einziges Mal Blickkontakt.
    »Und kann ich dann jetzt gehen?«, fragte ich. »Obwohl, ich brauche Ihre Hilfe. Der Typ da drüben!« Ich deutete auf den Punk mit dem breiten blonden Iro, der inzwischen nur noch wenige Meter von mir entfernt stand, ebenfalls im Polizeikessel eingesperrt. »Der hat mir in der S-Bahn mein Handy geklaut.«
    »Du da! Herkommen.« Die Polizisten kümmerte es gar nicht, was ich sagte. Sie drängten mich zurück in den Kreis und zwei von ihnen packten einen der Vermummten. Nach und nach holten sie die Leute aus der eingekesselten Gruppe heraus.
    »Ich sagte, herkommen!«
    Der Angesprochene, ein Typ mit schwarzer Kapuzenjacke und schwarzer Jeans, tauchte, anstatt zu antworten, in der Gruppe ab.
    »Hallo?! Ich habe Ihnen doch gesagt…«, versuchte ich erneut, einen der Polizisten für mich zu interessieren, doch denen war ich inzwischen offenbar egal.
    »Du da!« Die Polizisten griffen sich einen Jungen mit schwarzer Lederjacke. Der wehrte sich heftig, plötzlich rauften sie neben mir, ich musste ausweichen, dann lag der Junge auf dem Boden, drei Polizisten über ihm. Der Junge schrie laut: »Bullizisten, Mörder und Faschisten.«
    Und dann brach plötzlich Chaos aus.
    Die Leute um mich herum stürmten wie auf Kommando gegen die Polizeireihen. An einer einzigen Stelle. Ich sah Schlagstöcke niedersausen und Polizisten, die mit kleinen Spraydosen auf die Leute zielten. Es brannte auch mir in den Augen und dann war da auf einmal diese Lücke. Alles um mich herum strömte in Richtung der Öffnung, wie aus dem Nichts tauchte der Punk vor mir auf, der mir mein Handy gestohlen hatte, und packte mich an der Schulter.
    »Los, komm!«, sagte er und zog mich mit.
    Weg, nur weg, ich muss weg hier, war alles, was ich in diesem Augenblick dachte. Ich hatte Angst, ich wollte rennen, einfach fortlaufen. Wir stürmten die Straße entlang, ein lautes Klirren ließ mich zusammenzucken. Das Schaufenster eines Uhrenladens war gesplittert. Ich sah hinter mir die Polizisten, die uns hinterherjagten. Sie hatten die Schilde gehoben und schwangen ihre Schlagstöcke. Sicher, ich wusste, dass ich nichts getan hatte und einfach nur stehen bleiben müsste, dass mir eigentlich nichts geschehen könnte. Und doch konnte ich es nicht. Alles in mir schrie: Lauf weg! Ich konnte einfach nur flüchten. Und außerdem rannte rechts von mir dieser Junge aus der S-Bahn mit meinem Handy.
    Im Gefolge der anderen bog ich erneut in eine Toreinfahrt ein, wir hasteten über eine Tiefgarage, passierten ein Krankenhaus. Über dem Eingang stand »Sankt Hedwig«. Am Ende der Straße stürmten wir einen U-Bahn-Eingang hinab, den Bahnsteig entlang und am anderen Ende wieder hinauf. Wir rannten und rannten, irgendwann verlangsamte sich das Tempo. Polizisten waren schon länger nicht mehr zu sehen und dann standen

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