Treffpunkt Irgendwo
ich in diesem Kessel gestanden, zusammengepfercht wie Vieh. Erneut hatte ich Tränen in den Augen, spürte gleichzeitig eine große Wut, nein, es war eher eine ungeheure Empörung in mir. Woher hatten die sich das Recht genommen, mich derart anzugehen. Ich hatte doch gar nichts getan. Wieso hatte die das nicht interessiert. Und dann war da unvermittelt eine ganz andere Frage in meinem Kopf. Was sage ich? Sollte ich das meinen besten Freundinnen erzählen? Bei Mia kein Problem, doch Louisa war jemand, die alles weitererzählte. Ihrer Mutter, an der Schule, allen. Louisa war jemand, die, noch während du ihr ein Geheimnis anvertraust, unter dem Tisch bereits die SMS tippte. Sie meinte das nicht böse, aber so war sie nun mal.
Wenn ich nun erzählte, was ich erlebt hatte, dann wüssten spätestens morgen meine Eltern, dass ihre Tochter in eine richtige Polizeiaktion geraten war und mit irgendwelchen Punks zusammen durch Mitte gejagt worden war. Der Gedanke an die Hetzjagd ließ mich erneut schaudern. Auf jeden Fall konnte ich mir dann für die nächsten Monate abschminken, am Wochenende alleine loszuziehen. Wenn meine Mutter erfuhr, was mir passiert war, dann hieß das wieder für Wochen gemeinsame DVD-Abende mit der Familie vor dem Fernseher.
Aber ich musste es ja niemandem erzählen. Mein Handy hatte ich wieder.
Es war eigentlich ja nichts passiert.
Als Mia und Louisa das Café betraten, behauptete ich daher ganz lässig, ich hätte den Kerl verfolgt und an der Jacke erwischt, da sei ihm das Handy runtergefallen. Und dann hätte ich mich leider verlaufen. Ich hätte ja schon früher anrufen wollen, doch durch das Runterfallen sei das Gerät erst wie tot gewesen. Kompletter Softwareabsturz. Doch irgendwann hätte es sich selbst rebootet und jetzt sei wieder alles okay.
Sich nun noch auf den Weg zur Wild-Wedding-Nacht im Brunnen70 zu machen, hatte keine von uns dreien mehr Lust. Irgendwie war der Abend gelaufen. Doch schon zurück nach Marienfelde wollte auch niemand.
»Was haltet ihr davon, wenn wir in den Bang Bang Club gehen«, schlug Mia vor. »Der muss gleich irgendwo da drüben sein, und das soll ein echt geiler Laden sein.«
»Okay«, nickte ich und auch Louisa fand die Idee prima. Nach einer Viertelstunde Suchen erfuhren wir dann von einer Gruppe jugendlicher Touristen, dass der Bang Bang Club schon wieder geschlossen worden war und der Laden nun Levee Club hieß. Das war typisch für die Berliner Clubszene. Kaum hatte sich ein hipper Laden bis Marienfelde herumgesprochen, gab es ihn schon nicht mehr. Also sind wir ins Levee rein. Die Party hatte das Motto Kiezgeflüster und irgendwelche DJs aus Mitte legten auf. Die Musik war Drum & Bass, nicht ganz mein Musikgeschmack, aber okay. Der Laden selbst war echt cool, besonders witzig fand ich die Ecke mit dem Sandkasten und den Liegestühlen. Da saßen wirklich Gäste drin und haben gebuddelt.
Für so einen verkorksten Anfang für einen Samstagabend hatten wir doch noch einen ganz guten Abschluss gefunden.
Kapitel 2
W illst du mit zu mir?«, fragte Mia. Wir gingen zusammen von der Schule nach Hause. Meine Erlebnisse mit dem Punk und der Polizei lagen über zwei Wochen zurück. Am Bistro hatten wir uns zwei Latte macchiato gekauft und nippten im Gehen an unseren Pappbechern.
»Ne, ich habe heute echt noch volles Programm«, antwortete ich ihr. »Klavier, Schule…«
»Hey, Alleinsein ist nicht gut für dich.« Mia stupste mir in die Seite. »Ich kenne dich doch. Du sitzt auf deinem Bett und liest die alten SMS von Ole und heulst.«
»Quatsch. Das mit Ole ist erledigt«, erwiderte ich barsch. »Der kann mich mal!«
»Und wieso verdrückst du dich immer dann, wenn er zu uns kommt?«
»Weil ich keinen Bock habe, mit dem Arsch zu reden. Es reicht mir, dass ich ihn jeden Tag in der Schule sehen muss«, regte ich mich weiter auf. »Echt, Mia, ich verspreche dir, ich fange nie wieder was mit jemandem aus dem gleichen Jahrgang an.«
»Okay, nachvollziehbar, aber komm, wir können doch wirklich zu mir. Etwas chatten, ein paar schräge YouTube-Filmchen«, schlug sie vor. »Irgendwas mit lustigen Tieren oder mit Surfern und Sonne. Gegen dieses schreckliche Wintergrau.«
»Ne, keinen Bock.«
»Bitte!!«
»Ehrlich, ich habe heute echt keine Lust auf Abhängen.«
»Wochenende?«
»Na, am Wochenende ist doch Party bei Lena«, erwiderte ich.
»Dieses beknackte Faschingsfest. Und dann auch noch mit Motto.«
»Ich find’s cool«, freute sich Mia ungerührt.
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