Treibhaus der Träume
wie üblich im Bett zu sich zu nehmen, statt sich einer Ozonbesprühung oder Franzbranntweinmassage hinzugeben, standen sie alle auf den kleinen Balkonen oder an den Fenstern und starrten hinüber zur Klinik. Frau Haut hatte ein Fernglas und berichtete mit lauter Stimme, was sie sehen konnte. Ihre Lagemeldungen flogen von Balkon zu Balkon.
»Der ganze Keller brennt! Die Feuerwehr kommt mit Rauchmasken. Auch Polizei ist da!«
Vergeblich versuchte Ilse Patz, ihre Gymnastikgruppe zusammenzubringen. Sie lief von Zimmer zu Zimmer, aber die Damen waren noch in ihren durchsichtigen Nachthemdchen. Einige hatten ihre Bademäntel übergezogen, denn die Kühle des Morgens war schon spürbar, und waren nicht zu bewegen, ihre Beobachtungsposten aufzugeben.
»Wie Sie wollen!« fauchte Ilse Patz und schlug die Türen zu. Im Büro traf sie Marianne Steegert, die gerade telefonisch mit Dr. Lorentzen gesprochen hatte.
»Brandstiftung!« sagte Marianne heiser. »Sie sagen, es sei Brandstiftung gewesen.«
»Dummheit! Wer sollte ein Interesse daran haben, die Klinik anzuzünden?«
»Die Polizei meint, ein Verrückter.«
»Aber nun ist ja nichts passiert. Dafür ist die Gymnastik ausgefallen, der Waldlauf fällt auch aus, weil die Damen erst frühstücken müssen, der ganze Tagesplan ist aus den Angeln. Ich bin scheinbar überflüssig.«
Marianne sah ihre Freundin groß an. »Du bist merkwürdig, Ilse. Als ob man vorausahnen konnte, daß drüben …«
»Du nennst mich merkwürdig?« Ilse Patz bekam einen schmalen, harten Mund. »Merkwürdig ist, was aus unserer Freundschaft geworden ist. Merkwürdig ist, was hinter meinem Rücken gespielt wird.«
»Hier wird nichts gespielt, Ilse.«
»Nichts? Nennst du eine Nacht bei Lutz nichts?«
Marianne wurde rot und sah zu Boden. Sie wußte es also. »Gerade du solltest das verstehen«, sagte sie leise. »Du bist nie vor einem Mann, der dir gefiel, weggelaufen.«
»Das war nichts.« Ilse Patz sah zur Seite aus dem Fenster. »Das war wie ein Glas Sekt trinken. Es trat nie zwischen uns, es belastete keinen. Aber jetzt bricht alles auseinander … siehst du das denn nicht?«
»Weil du egoistisch bist.«
»Ich? Wer schleicht denn in der Nacht zu ihm?« Ilses Stimme wurde rauh. Sie schüttelte ihr schwarzes Haar, daß es um ihren schmalen, schönen Kopf flog, wie vom Sturm zerzaust.
»Mein Gott, was verlangst du denn?« rief Marianne verzweifelt.
»Nicht mehr, als was ich schon dutzendmal getan habe. Manchmal habe auch ich gedacht: Dieser Mann könnte für dein ganzes Leben sein. Aber dann kam der Morgen, ich ging um unsere Häuser herum, zum Schwimmbad, über die Wiesen und durch die Wälder, ich sah von oben, vom Hügel, hinunter auf das, was wir zwei gemeinsam geschaffen haben, und da habe ich immer wieder gesagt: Nein. Soviel ist kein Mann wert, daß dies alles kaputtgehen soll. Und ich bin zurückgekommen und habe den Mann weggejagt wie einen geilen Hund. Männer, habe ich mir gesagt, sind Gebrauchsgegenstände. Alltagsdinge wie Gabel und Messer, Kamm und Zahnbürste. Man braucht sie zum allgemeinen Wohlergehen. Wichtiger als sie ist unsere Freundschaft, ist unsere Farm, unsere Arbeit an der Schönheit unserer Patienten.«
»Ich kann nicht so denken.« Marianne stützte den Kopf in beide Hände. »Ich kann es einfach nicht. Ich liebe Lutz.« Sie schloß die Augen, ihr schöner Mund zuckte. »Ich habe ein Herz, Ilse.«
»Natürlich. Es ist eine Pumpe für den Kreislauf.«
»Nein! Es ist mehr! Du weißt es!« Marianne sprang auf. Ihre Stimme überschlug sich plötzlich. »Du weißt es ganz genau. Warum heuchelst du? Warum sagst du Dinge, die du selbst nicht glaubst? Woher hast du nur das Satanische? Wie würdest du dich benehmen, wenn Lutz dich liebte? Los, gib mir eine Antwort! Wäre Lutz auch für dich nur wie Zahnbürste und Kamm, Messer und Gabel?«
Ilse Patz schwieg. Sie zog die Schultern hoch, schleuderte die langen Haare vor ihr Gesicht und verließ das Zimmer. Marianne sah ihr nach, wie sie über die Wiese ging in Richtung Sonnenbad. Groß, schlank, federnd. Eine herrliche Katze.
Wir brechen auseinander, dachte Marianne, und ihr Herz war zentnerschwer. Alles bricht auseinander … unsere Freundschaft, die Schönheitsfarm, sogar die Vernunft. Und wir können nichts dagegen tun. Ich liebe Lutz!
Die Kriminalpolizei aus München, Branddezernat, konnte auch nicht mehr feststellen als der Brandmeister aus St. Hubert: Im Papierkeller war das Feuer gelegt worden. Der Tatbestand
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