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Treibhaus der Träume

Treibhaus der Träume

Titel: Treibhaus der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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›Prolet‹, der nur den richtigen Riecher zur richtigen Zeit gehabt hatte. Er konnte es sich leisten, auf Sardinien 100.000 qm Küstenland zu kaufen – aber in den Garten des Konsuls Schliepper in Grünwald kam er nicht hinein, es sei denn als Bauunternehmer, dem man einen Auftrag gibt. Die Feste am Schwimmbecken, die berühmten ›Italienischen Nächte‹ des Konsuls, kannte er nur aus der Zeitung. Aus der Prominentenspalte.
    Hier half nun die Klinik. Ein Mann, der eine ganze chirurgische Klinik stiftet; der Menschenfreund, der sein Geld weggibt für das Glück anderer, war eine solche Seltenheit, daß man die Türen der Salons vor ihm öffnete, um diesen Idioten, wie man hinter der Hand flüsterte, zu sehen. Er wurde besichtigt wie eine Ausgrabung. Man munkelte, daß ein Antrag in Bonn vorlag, ihm das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse zu verleihen. Wenn er das erhielt, wenn dieses Blechstückchen an ihm baumelte, war der Platz an der Sonne erobert. Man vergaß, daß er nur die Volksschule besucht hatte und ›nämlich‹ noch immer mit h schrieb.
    »Sie haben das Geld?« fragte der alte Patz vorsichtig.
    Dr. Lorentzen nickte kurz.
    »Ja.«
    »Sehr schön.« Der alte Patz spürte, wie er zu schwitzen begann. Vaterliebe und sterbender Minderwertigkeitskomplex rangen eng miteinander. Ohne Klinik bin ich wieder nur der reiche Maurer, dachte er. Das darf nicht sein. Zum Teufel mit den hysterischen Weibern, auch wenn's die eigene Tochter ist. Man sollte sie einfach wie in vergangenen Jahren durchhauen. Schließlich ist man ja der Vater und bleibt es.
    »Wann?« fragte er stockend.
    »Jederzeit. Übermorgen, wenn Sie es wünschen.«
    Der alte Patz schluckte. Er starrte Dr. Lorentzen an. Dessen Gesicht war wie eine Maske. »Sie bluffen, Doktor …«
    »Gut. Ich werde Ihnen übermorgen den Betrag anweisen.« Der alte Patz erhob sich schwer. Er versuchte ein Lächeln, aber es mißlang völlig. Es wurde ein mieses Grinsen.
    »Ich werde noch einmal mit Ilse sprechen«, sagte er. »Sie sehen mich hin und her gerissen, Doktor. Ich achte Sie. Ich bin im Grunde genommen Ihr Freund. Aber haben Sie erst mal eine erwachsene Tochter. Sie wissen gar nicht, wie das ist. Eine Tochter mit dem Temperament eines Vulkans. Das weht Ihnen die Bartstoppeln vom Kinn. Aber überlassen Sie das mir, Doktor. Den Bären trieb man früher einen Ring durch die Nase, und wenn sie nicht tanzen wollten, zog man daran. Verdammt noch mal, man sollte allen Weibern einen Ring durch die Nase ziehen!«
    Am Nachmittag, als der alte Patz in St. Hubert im Kur-Hotel saß und nach einer Kalbshaxe eine Maß nach der anderen wegstemmte, hatte sich bei Dr. Lorentzen ein großer innerer Kampf entschieden. Tagelang hatte er mit sich gerungen. In den Nächten sprang er aus dem Bett, stand am Fenster und starrte in die Nacht hinaus. Was er in diesen Stunden in sich niederknüppelte, war seine Anständigkeit, war sein Gewissen. Immer wieder sagte er sich vor: Ich tue es für die Klinik. Ich tue es für Marianne, für unsere Liebe, für die vielen vom Leben Benachteiligten, denen ich mit dem Skalpell helfen kann. Und es ist nur ein Darlehen, das ich zurückzahlen will. Zwar ein schmutziges Darlehen … aber welche andere Wahl bleibt mir?
    Auch an diesem Nachmittag hatte er sein Gewissen noch nicht erstickt. Sein Herz zuckte wie in Krämpfen, als er zur obersten Etage hinauffuhr und an die Tür klopfte, an der ›Vorratskammer‹ stand. Innen drehte sich ein Schlüssel, die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet.
    »Du bist's.« Hans Bornemann ließ Lorentzen ein und schloß gleich wieder hinter ihm ab. »Mensch, habe ich einen Bammel gehabt. Polizei im Haus. Haben die 'ne Spur entdeckt?«
    »Nein. Im Keller brannte es.«
    »Gott sei Dank.« Bornemann sank auf sein Bett. Die Angst hatte ihn völlig entnervt. Sein Aschenbecher war randvoll mit halbgerauchten Zigaretten. Er schwitzte und hatte das Hemd über der Brust aufgerissen. »Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn die Polizei kommt. Vielleicht springe ich aus dem Fenster. Acht Jahre Zuchthaus, das halte ich nicht aus! Und was kommt hinterher? Ein möbliertes Zimmer, irgendwo, eine Stellung als Bote.« Bornemann wischte sich über das Gesicht. Seine Hand zitterte heftig. »Hast du's dir überlegt?«
    »Ja«, antwortete Lorentzen laut.
    Bornemann fuhr vom Bett hoch. »Du operierst mich?«
    »Ja.«
    »Mein Goldjunge! Ich wußte es. Die alte Kameradschaft lebt. Du bist keiner, der vergißt.« Er wollte Lorentzen stürmisch

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