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Treibhaus der Träume

Treibhaus der Träume

Titel: Treibhaus der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auch unterwegs, um den zusammengeschlagenen Rappel im Bett abzulichten, mit einem Eisbeutel auf dem Kopf. Das machte sich immer gut. Das riß die Leser mit. Das kitzelte ihr Mitleid. Und aus Bornemann, dem kleinen Spinner, der sich nach Liebe und schönen Frauen sehnte und einmal in seinem Leben ein Playboy sein wollte wie der Sohn seines Bankdirektors, wurde eine blutgierige Bestie, schlimmer als ein Kindesmörder.
    Die Polizei aus der Kreisstadt und die beiden Ortspolizisten aus St. Hubert kämmten bereits die Wälder durch. Sie hatten zwei Schäferhunde mitgebracht, die an langen Leinen vor ihnen herliefen, über den Boden schnüffelten, hechelten, bellten und jaulten, wenn sie dem Geruch Bornemanns nachrannten.
    Aber das hörte nach sechshundert Metern auf. Hier floß ein Wildbach durch die Bergschluchten, silberhell und eiskalt, selbst im Sommer. Die rund geschliffenen Kiesel bedeckten als feste Schicht das Bachbett, und es gab Ausbuchtungen, wo herrliche Forellen standen, die man sogar, wenn man es verstand, mit der bloßen Hand fangen konnte.
    Hier endete die Spur Bornemanns für die Hunde. Die Polizisten schoben ihre Mützen in den Nacken und nickten sich zu. »Der alte Dreck!« sagte der eine. »Wenn er im Bachbett weitergerannt ist, gibt's keine Spur mehr. Ist er nun rauf oder runter den Bach?«
    »Das werden wir auch bald haben. Du suchst oben, ich geh runter. Irgendwo muß er ja aus dem Wasser wieder rausgekommen sein. Wer die neue Spur hat, pfeift …«
    Aber es war vergeblich. Die Witterung der Hunde versagte. Die nassen Schuhsohlen Bornemanns hatten jeden Geruch vernichtet, solange sie noch naß waren. Und Bornemann hatte dafür gesorgt. Er hatte drei Taschentücher mit Wasser getränkt und ließ alle zwanzig Meter Wasser über seine Schuhe laufen.
    Die Hunde rannten am Bach entlang, schnupperten, bellten und sahen hilflos den Bergwald hinauf und hinunter. Dann setzten sie sich und hechelten mit heraushängender Zunge.
    »Scheiße!« sagte der Polizist aus St. Hubert. Er sah seinen Hund böse an und tippte an die Stirn. »An Idiot bist!« schrie er. »So an Nas' wie du hob i schon längst …«
    Und der Hund hob die rechte Pfote, als wollte er sagen: Bitte, dann schnüffle du. Für mich ist die Jagd zu Ende.
    Die Sonderkommission aus München hielt sich mit Waldläufen nicht auf. Das war Sache der Polizisten. Die Grenzen wurden in diesen Minuten genauer überwacht, die Landpolizei kontrollierte die Straßen, Grenzer durchstreiften die Gebiete, die man die ›Grüne Grenze‹ nannte – Felsentäler und Höhen, wo es keine Absperrungen gab, sondern nur ab und zu Schilder: Grenzbezirk St. Hubert. Und das ovale Staatsschild: Bundesrepublik Deutschland. Interpol in Paris bekam per Fernschreiben die Nachricht: Bornemann wieder auf der Flucht. Auf österreichischer Seite stiegen Patrouillen in die Berge.
    »Der kommt nicht durch«, sagte der Hauptkommissar aus München zu Dr. Lorentzen. »Er müßte schon ein Käfer sein, den man im Gras nicht sieht. Und gleich in der Frühe setzen wir Hubschrauber ein.« Das Verhör war mehr als ein Gespräch, aber Lorentzen wußte, daß jedes Wort galt und gewogen wurde.
    »Die Krankenkarte ist in Ordnung«, sagte der Kommissar. Er tippte mit den Fingern auf die Karteikarte, die Lorentzen in der Zeit zwischen seinem Telefonanruf und dem Eintreffen der Polizei noch ausgefüllt und in den Karteikasten gesteckt hatte. »Hans Bornemann. Bankkassierer. Frankfurt. Ganz ordnungsgemäß. Und Ihnen ist dabei gar nichts aufgefallen?«
    »Nein«, sagte Lorentzen ruhig. »Es war eine Eintragung für mich wie jede andere.«
    »Nasenkorrektur und Augenbrauenplastik«, las der Beamte weiter.
    »Das sind Standardoperationen für uns.«
    »Aber der Name, Doktor!«
    »Bornemann! Was ist da verdächtig? Es klingt für mich wie Müller oder Schmitz … Überhaupt Namen: Für einen Chirurgen ist in erster Linie der ›Fall‹ wichtig.«
    »Ich weiß.« Der Beamte lächelte säuerlich. »Habe es selbst in München erlebt. Harmloser Blinddarm. Aber ich hieß im Krankenhaus nicht Herr Lommel, sondern nur ›Der Appendix von Zimmer 89‹. Warum eigentlich?«
    »Man merkt sich das als Mediziner eher als Namen.« Lorentzen lächelte zurück. Er sprach jetzt gegen seine Auffassung. Immer hatte er es als eine Mechanisierung des Arztberufes angesehen, wenn ein kranker Mensch nicht ein Mensch blieb, sondern im Klinikbetrieb entweder eine Nummer oder eine Krankheit wurde. Es war überhaupt kein Kontakt

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