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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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ich womöglich die Fassung, dachte er. Weil ich so müde bin. Und wem ist damit geholfen. Ihr nicht. Mir vielleicht ein bisschen. Aber hier, vor allen? Auf keinen Fall. Er griff in seine Tüte und angelte nach dem Telefon. Kitabringzeit. Leslie ging nicht ran. Als die Mailbox kam, drückte er sie weg.
    Jetzt die Dinge regeln. Sich beschäftigen, die Finger bewegen, irgendwas tun, denn was war die Alternative? Versuchen, sein Versteck zu erreichen? Aussichtslos. Den Leichnam in seiner Kabine aufdecken und Riesenalarm schlagen? Er bezweifelte, dass er überhaupt bis dahin kommen würde.
    Wer dann auch wieder nicht ranging, war Finzi. Das allerdings war langsam ungewöhnlich. Ein Grund mehr, sich von aller Welt verlassen zu fühlen. Aber er war ja raus aus allem, nahe dran, aber ausgeschaltet, so mussten die Kollegen das sehen: Vielleicht wollte Finzi einfach nicht mit ihm reden. Und machte jetzt einfach, was Danowski oft mit ihm gemacht hatte: ihn ignorieren.
    Er seufzte und wählte eine andere Nummer. Half ja nichts.
    «Knud?»
    «Adam. Geht es dir besser heute.» Ohne Fragezeichen, Behling stellte einfach alles fest, weil er eigentlich gar nichts wissen wollte. Er klang leerer und ratloser als in der vorigen Nacht.
    «Ja, viel. Die Frau vom Tropeninstitut war hier und hat mir was gegen Capgras-Syndrom und Hypersensibilität gegeben. Ich fühle mich blendend.»
    «Adam.»
    «Wo ist eigentlich Finzi?»
    Die Pause war ein bisschen zu lang. «Der ist beschäftigt. Sitzt auf was anderem. Wir haben noch andere Vorgänge, weißt du.» Weissu. Es war fast schön, wenn man es länger nicht gehört hatte.
    «Und die Omis?»
    «Genauso. Glaubst du, weil du auf dem Schiff sitzt, werden hier im Bundesland keine Toten mehr gefunden, bei denen jemand Fremdverschulden ausschließen muss?» Pedantisch, wie er statt Hamburg Bundesland sagte, weil sie beim Landeskriminalamt waren.
    «Und währenddessen hab ich dieses Ding hier nach Hause geschaukelt», sagte Danowski munter, um sich selber wach zu halten und Behlings Aufmerksamkeit nicht zu verlieren.
    «Sag bloß.»
    «Ich brauch ein paar Sachen von dir.» Danowski drehte sich mit dem Rücken zur Rezeption und sprach leiser, während er versuchte, die Bewegungen im Raum zu erkennen. Unmöglich, beides zugleich zu tun. Behling hörte zu, als Danowski ihm von Schelzigs Verbindung nach Newcastle und von James Kenwick und den Gerüchten über seinen Virenhandel erzählte. Am Anfang nur pro forma, am Ende spürbar wie gegen seinen Willen, interessiert trotz irgendwas anderem. Ihr habt doch was, dachte Danowski.
    «Hm», machte Behling. «Klingt doch gut.» Als wäre ihm das alles selber ein-, auf- und zugefallen, und Danowski hätte daran sacht gezweifelt. «Die Schelzig, hm?»
    «Ja, aber die halten wir erst mal raus», sagte Danowski. «Bis ich die Vermerke schreibe, kann man die Geschichte vielleicht auch anders erzählen.»
    «Kann man, soso», Behling, nebenhin, während er sich offenbar Notizen machte. «Wir haben Carsten Lorsch schon mal in Großbritannien durchs System gegeben, am Anfang, um zu gucken, ob der sich da irgendwie polizeiauffällig verhalten hat bei seinen Landgängen. Und die Bender auch. Genauso in Holland. War aber natürlich nichts. Jedenfalls gibt’s da schon Kontakte und Anknüpfungspunkte. Das mit der Sicherheitskamera kann trotzdem dauern.»
    Daran glaube ich auch nicht, dachte Danowski, dem die Welt zumindest noch halbwegs in Ordnung war, solange er irgendwas besprechen konnte, was nichts damit zu tun hatte, wie er die nächsten Stunden hier überleben würde.
    «James Kenwick dürfte schnell gehen», sagte Behling. «Mal gucken, wer das ist und ob der schon mal auffällig geworden ist bei den Kollegen.»
    «Lass das nicht Finzi machen», sagte Danowski. «Der kann kein Englisch.»
    «Nee, nee», sagte Behling und lachte noch bemühter als sonst. «Is klar.»
    Ach, Knud, dachte Danowski. Du solltest dich nicht mit Hypersensibelchen anlegen. Merkst du nicht, dass ich alles merke?
    «Knud», sagte Danowski, während eine weitere Welle von Müdigkeit über ihm brach, «was ist mit Finzi?»
    «Was soll mit ihm sein?» Und das, lieber Knud, ist immer die falsche Antwort, und das weißt sogar du.
    «Ich hab hier vielleicht nicht so viel Zeit, wie du denkst», sagte Danowski. «Und falls mir doch noch was passiert, möchte ich auf keinen Fall, dass du dich im Nachhinein ärgerst, mir Lügen erzählt zu haben. Also erzähl mir keine Lügen. Ich merk dir an, dass was

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