Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
Vom Netzwerk:
in den Siebzigern und aus den USA in den Achtzigern. Was wir hier haben, entspricht dem nicht so ganz.»
    «Die Viren sehen also aus, als kämen sie aus Newcastle?»
    «Das würde ich so nicht ausdrücken, aber: ja. Wie gesagt, das sind Gerüchte.»
    «Warum haben Sie mir nichts erzählt?»
    «Weil das Gerüchte sind.»
    «Soll ich meine Frage wiederholen?»
    Sie wandte sich ein wenig ab. Jede Bewegung wurde durch den Schutzanzug verstärkt wie in einem Stummfilm oder Cartoon.
    «Die Zeit läuft ab», sagte sie. «Ich muss aus dem Anzug raus.»
    «Warum haben Sie mir nichts erzählt?»
    Sie drehte sich im Anzug wieder in seine Richtung. «Unsere Welt ist nicht so einfach wie Ihre. Da geht es um Forschungsgelder, um Drittmittel, um Lehrstühle, da hängt alles immer am seidenen Faden. Newcastle hätte fast die Mikrobiologie zumachen müssen, als darüber geredet wurde, dass in ihren Laboren einer ihrer Wissenschaftler nach seinen eigenen Regeln forscht. Was meinen Sie, was es für mein Institut bedeutet, wenn ich irgendwelche Sachen verbreite, die ich nicht beweisen kann?»
    «Aber es könnte sein, dass Newcastle der Ursprung des Virus ist, mit dem Carsten Lorsch vergiftet wurde?»
    Wenn sie die Achseln zuckte, konnte er es nicht erkennen. «Es ist möglich», sagte sie schließlich.
    «Aber wie holt man das Zeug aus dem Labor?», fragte er und wollte sich gern anziehen, unternehmungslustig und schamvoll zugleich, aber er sah keine Kleidung.
    «Das müssen Sie gar nicht. Es gibt theoretisch einen Schwarzmarkt für Filoviren. Wie gesagt, Träume von Bioterrorismus. Jedenfalls ist damals im Affenhaus in den USA genug viral belastetes Blut verschwunden und möglicherweise an Interessierte auf der ganzen Welt verkauft worden …»
    «Aber das kann man doch nicht mit ins Labor nehmen und in der Mittagspause damit seine Privatforschung betreiben.»
    «Nein, aber jemand könnte sich im Laufe der Zeit eine Art Privatlabor aufbauen und darin parallel die Forschung reproduzieren oder erweitern, die er offiziell am Institut durchführt.»
    «Ein eigenes mikrobiologisches Labor?»
    «Man würde viel Geduld und viel Zeit allein brauchen, Abgeschiedenheit, man bräuchte den Willen zu improvisieren, und man dürfte keine Angst vor Superviren haben. Eigenschaften, die Sie bei vielen Kollegen finden.»
    «Und dieser eine Kollege, über den es die Gerüchte gab, ist verbittert, dass er suspendiert und zurückgestuft worden ist, ihm fehlt jetzt das Geld, um seine Forschung fortzusetzen, er fühlt sich der Universität nicht mehr zu Loyalität verpflichtet, möchte ihr vielleicht sogar schaden. Also verkauft er Filoviren?»
    Wieder konnte er nicht erkennen, was in ihr vorging.
    «Dass ausgerechnet Sie mich fragen, wozu Menschen in der Lage sind und wie wenig Grund sie dafür brauchen», sagte sie.
    «Und dann hat Simone Bender das gewusst, vielleicht durch ihre Verbindungen in die Pharma-Branche, da hat sie ja mal gearbeitet. Die Leute kommen auf die irrsten Ideen. Und dann regt sie diese Kreuzfahrt an, besorgt in Newcastle das Virus und vergiftet damit ihren Liebhaber, weil er sich nicht von seiner Frau trennen will», sagte Danowski.
    «Zumindest das mit der Kreuzfahrt erscheint mir sinnvoll», sagte Schelzig. «Es wäre viel zu riskant, eine Ampulle mit Blut an Bord eines Flugzeugs zu schmuggeln. Auf so was wird das aufgegebene Gepäck stichprobenartig gescreent. Und im Auto müssten Sie die Kühlkette zu lange unterbrechen, das ist unrealistisch. Ein Kreuzfahrtschiff ist eigentlich ideal, weil die Kontrollen laxer sind und weil es in den Kabinen Kühlschränke gibt. Wenn Sie sich erinnern, war da ja auch die virale Belastung am höchsten, in der Nähe des Kühlschranks.»
    Sie öffnete eine metallene Schublade, die offenbar eine Art Durchreiche in einen Nebenraum war. Darin lagen dunkle Textilien, die Danowski nach einem Augenblick als jene Kreuzfahrt-Uniform erkannte, die eigentlich einem Animateur gehörte, der jetzt vermutlich noch immer tot in einem Bett lag, das Danowski sozusagen gehörte, obwohl Simone Bender es einmal gebucht hatte.
    «Simone Bender ist infiziert und wird an Bord versteckt», sagte er, während er die Krankenhausunterwäsche anzog, die sie ihm reichte.
    «Das ist mittelalterlich, dumm und gefährlich», sagte sie.
    «Und behindert die Arbeit der Ermittlungsbehörden.»
    Er zögerte, als sie ihm die Uniform reichte. «Muss ich das anziehen?»
    «Wir haben nichts anderes. Für einen hinten offenen Kittel

Weitere Kostenlose Bücher