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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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dürfte es dann doch noch zu kalt sein.»
    Resigniert zog er den jetzt zwar außerordentlich sauberen, aber immer noch unangenehmen Stoff über seine gründlich untersuchte Haut.
    «So ein mikrobiologisches Institut wird doch bestimmt von Kameras überwacht, oder?»
    «Sicher», sagte Schelzig. «Und das sind keine Aufnahmen, die nach vierundzwanzig Stunden gelöscht werden. Da gibt es europaweite Richtlinien. Vielleicht haben Sie Glück, und Ihre Frau Bender hat sich tatsächlich an der Uni aufgehalten.»
    «Jetzt müssen Sie mir nur noch sagen, wie der Kollege heißt, über den damals die Gerüchte in Umlauf waren.»
    Sie zögerte. «Wie gesagt. Es waren Gerüchte.»
    «Simone Bender wird es uns vermutlich nicht mehr sagen können. Aber viele andere, sobald wir anfangen, rumzufragen. Und das wird Unruhe verursachen.»
    «James Kenwick», sagte sie. «Ich hätte Ihnen den Namen sowieso gesagt, auch ohne Ihre Floskeln.»
    «Umso besser.»
    «Dann dürfte Ihr Fall ja gelöst sein, oder nicht?»
    Er machte die letzten Knöpfe seiner Uniformjacke zu und fragte sich, was sie mit seinen Telefonen gemacht hatte.
    «Ich fürchte, nicht so ganz», sagte er. «Es liegt ein Toter in meinem Bett.»
    «Das verstehe ich nicht.»
    «Ich auch nicht. Es klingt wie ein morbider Karnevalsschlager.»
    «In welchem Bett?»
    «An Bord. Aber darum sollen sich jetzt andere kümmern.»
    Sie betrachtete ihn skeptisch. «Der Untersuchung nach sind Sie insofern völlig gesund, dass Sie keine Symptome einer hämorrhagischen Fiebererkrankung zeigen. Aber sind Sie sicher, dass es Ihnen gutgeht?»
    «Nein», sagte er. «Das bin ich nicht. Aber es wird gut sein, nach Hause zu kommen.»
    Sie nickte. «Bestimmt. Sicher freuen Sie sich auf Ihre Familie. Aber Ihnen ist klar, dass das dauern wird? Noch fast eine Woche, bis die Quarantäne vorbei ist.»
    Er winkte ab. «Ja, aber das kriege ich hin. Bringen Sie mich in Ihren Isolationscontainer, geben Sie mir meine Telefone, ein Bett, ein Kissen und eine Decke, und Sie werden sehen, wie schnell ich den ganzen Kram an meine Kollegen delegiert habe. Bänder von Überwachungskameras auswerten und sich um Tote auf Schiffen kümmern.»
    Sie hielt inne. «Ich glaube, Sie verstehen nicht. Ihre Telefone, Ihre Perücke und Ihre Uhr kann ich Ihnen geben, die haben wir desinfiziert und eingeschweißt. Aber ich kann Sie nicht hier im Container isolieren. Das geht nur, wenn Sie erste Symptome zeigen. Wir haben nicht genug Isolationsplätze, für den Fall, dass sich das Virus weiter ausbreitet.»
    «Egal», sagte Danowski. «Dann bringen Sie mich zur Quarantäne ins Tropeninstitut. Ich war schon lange nicht mehr auf dem Kiez unterwegs.»
    «Das geht auch nicht», sagte Schelzig, jetzt langsam sichtlich ungeduldig, er erkannte es an der Art, wie sie den Kopf des Schutzanzuges schräg hielt. «Sie stehen immer noch unter Quarantäne, und es ist im Notfallprotokoll des Krisenstabs nicht vorgesehen, Kranke durch die Stadt zu transportieren. Das Tropeninstitut liegt außerhalb des Sperrkreises.»
    «Ja, okay, dann habe ich vielleicht das eine oder andere Mal bei den Sitzungen des Krisenstabs nicht richtig zugehört», sagte Danowski, langsam ungehalten, «aber dann sagen Sie mir doch nicht, was alles nicht geht, sondern sagen Sie mir einfach, wie’s jetzt weitergeht. Ich bin nämlich wirklich müde inzwischen.»
    «Es tut mir leid, dass Sie das offenbar missverstanden haben», sagte Schelzig mit einem Anflug echten Bedauerns. «Aber meine Kollegen werden Sie jetzt zurückbegleiten, damit Sie das Ende der Quarantäne am für Sie laut Notfallprotokoll dafür vorgesehenen Ort abwarten.»
    «Und das heißt bitte was?»
    «Sie gehen zurück an Bord der ‹Großen Freiheit›», sagte Tülin Schelzig und wandte sich von ihm ab zur Schleuse.

[zur Inhaltsübersicht]
    Teil 3 Treibland
    42 . Kapitel
    Als sie ihn zurück aufs Schiff führten, sah er die formlose Sonne am grauen Himmel über dem Hamburger Osten. Zum Wegrennen fehlte ihm die Kraft, außerdem wusste er selbst am besten, wie sinnlos es war, auf diese archaische Weise den Kordon durchbrechen zu wollen.
    Am Ende war es vielleicht seine Müdigkeit, die ihn vorerst rettete. Denn die blaue Perücke, die er sich gut desinfiziert wieder auf den Kopf gesetzt hatte, verkleidete ihn nicht mehr, sie kennzeichnete ihn jetzt.
    Als sie ihn am Ende der Gangway entließen, zwei geschlechtslose Wesen in Schutzanzügen, die kein Wort mit ihm gewechselt hatten, blieb er stehen, weil er zu

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