Trennung ohne Rosenkrieg - ein psychologischer Wegweiser
Vorbereitungszeit und je größer die Unterstützung durch das Umfeld sind. Dieses gilt zum Beispiel für Arbeitsplatzverlust, Diagnose einer schweren Krankheit, Tod eines nahen Angehörigen wie auch für Trennungen. Auch wenn wir die Trennung erwartet haben, können wir stark verunsichert sein, weil wir nicht wissen, was auf uns zukommt und wie wir damit umgehen werden. Kommt die Trennung für uns unvorbereitet und plötzlich, sind wir fassungslos. »Du stehst am Morgen auf und weißt, dass nichts mehr so ist, wie es gestern noch war …« Es stürmt unerwartet und zu viel gleichzeitig auf uns ein, sodass unsere Belastungsgrenzen überschritten sind. Es kommt zu einer »Systemüberlastung«. Können wir den aufgetretenen Stress nicht mehr bewältigen, geraten wir in eine Krise. Wir fühlen uns der Situation hilflos ausgeliefert, weil bisherige Handlungsmuster nicht mehr greifen.
▶▶ Beispiel: Ich habe nichts gewusst
Frau B., 60 Jahre alt, hat sich nach dreißig Jahren Ehe entschlossen, sich zu trennen und ihr Leben neu aufzustellen. Diese Entscheidung ist nach einer längeren Auseinandersetzung mit sich selbst und mit ihrem Mann gewachsen und wird schließlich nicht mehr kommuniziert. Sie entfernt sich innerlich immer mehr, macht eigene Pläne und verliebt sich schließlich in eine Frau. Für Herrn B. kommt alles scheinbar wie »aus heiterem Himmel«.Da es schon länger keine Auseinandersetzungen mehr gegeben hat, nimmt er an, dass alles in Ordnung sei. Die Trennungsmitteilung seiner Frau kommt für ihn völlig unvorbereitet und ist für ihn ein Schock. Er gerät in eine psychische Krise und muss kurzfristig klinisch betreut werden.
Die Art und Weise, wie eine Trennung passiert, hat somit Einfluss auf deren Krisenpotenzial und deren Bewältigung. Grundsätzlich gilt, dass es bei einer überraschenden, nicht angekündigten und nicht selbst initiierten Trennung schwieriger ist, das Ende der Beziehung zu akzeptieren und zu bewältigen. Je selbstbestimmter wir eine Trennung herbeiführen, das heißt, je selbstwirksamer wir handeln, umso besser kommen wir auch mit unverhofft schwierigen Folgen zurecht. Das mag für denjenigen, der die Trennung aktiv herbeiführt, zutreffen. Gilt das auch für denjenigen, der plötzlich und unerwartet verlassen wird und sich zunächst nur dem ›Schicksal‹ ausgeliefert fühlt? Ja und nein, denn je schneller wir wieder für uns sorgen, aktiv werden und uns notwendige Unterstützung suchen, umso gewappneter gehen wir durch die Trennungskrise. Darin verbirgt sich die schlichte Wahrheit, dass unser Handeln und unser Nicht-Handeln immer Folgen haben wird.
Mit der Trennung stellen wir fest, dass wir unseren Lebensalltag nicht einfach wieder dort aufnehmen können, wo wir ihn durch die Trennung fallen gelassen haben oder fallen lassen mussten. Enorme Veränderungen und Anpassungsanforderungen kommen auf uns zu. Wir ahnen, dass wir längerfristig nur aus dieser Krise herauskommen, wenn wir es schaffen, uns an die neue Realität anzupassen und uns auf eine Neuorganisation unseres Lebens einlassen.
Die Bewältigung des inneren und äußeren Trennungsgeschehens ist sehr unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab wie:
→ dem vorherigen Beziehungsstil
→ den Trennungsgründen
→ der Art und Weise der Trennung
→ dem Potenzial an persönlichen Ressourcen
→ den existenziellen Rahmenbedingungen.
War der Beziehungsstil vor der Trennung partnerschaftlich und wertschätzend, besteht die Chance, trotz möglicher verletzender und unschöner Auseinandersetzungen zu einer fairen Trennung zu kommen. Sollten beide in der glücklichen Lage sein, vor der Trennung die Aufgaben im Haushalt untereinander gleich verteilt zu haben, wird der getrennte Alltag besser bewältigt, da weniger neues Verhalten erlernt werden muss. Frauen, die vor der Trennung einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen sind und viele soziale Kontakte haben, sind selbstständiger und erleben die Trennung als weniger existenziell bedrohlich als diejenigen, die wegen der Kinder ihre Berufstätigkeit aufgegeben haben. Dann ist es oft sehr schwierig und manchmal unmöglich, einen beruflichen Wiedereinstieg zu finden. Schaffen sie es dennoch, ist es eine wichtige Ressource für ihr Selbstvertrauen und für die Bewältigung der Trennungsfolgen. War der Beziehungsstil vor der Trennung von vielen Streitereien, aggressiven oder sogar gewalttätigen Auseinandersetzungen geprägt, ist es schwerer und oft unmöglich, zu
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