Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Treuepunkte

Treuepunkte

Titel: Treuepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
Vom Netzwerk:
ständigen Wortwiederholungen. Ob der privat auch so redet? Die arme Frau.
    »Ich hätte da noch eine Idee«, bricht es aus Herrn Hiller heraus. Er sieht geradezu begeistert aus. »Ja?«, frage ich erwartungsvoll. »Also, ab übermorgen sucht eine renommierte Kanzlei eine Perle für den Empfang. Telefon, Termine und so. Bezahlung nicht übel. Juristische Vorkenntnisse wären erwünscht. Eine Urlaubsvertretung, halbtags. Mit Option auf mehr. Irgendein Notfall. Die haben heute Morgen angerufen.« Ich habe Christoph während des Studiums oft lernen sehen und sogar seine Arbeit fürs erste Staatsexamen Korrektur gelesen. Juristische Kenntnisse sind das zwar nicht direkt, aber ich weiß immerhin, wie man Paragraph schreibt. »Das klingt gut«, sage ich und füge ein weiteres »gut« hinzu. »Gut, gut.« Angeblich ist das Übernehmen von sprachlichen Angewohnheiten
des Gesprächspartners die beste Taktik, eine positive Atmosphäre zu schaffen. Ich zeige meine Unterlagen, fülle Anträge aus und bin überrascht, dass die Kanzlei bereit ist, immerhin 13  Euro netto zu zahlen. Noch überraschter bin ich, als ich höre, um welche Kanzlei es sich handelt. Aber – ich bleibe cool und verziehe keine Miene. »Ach, Langner und Partner, das klingt prima. Habe ich schon mal gehört, soll eine gute Adresse sein. Gut, gut«, passe ich mich auch sprachlich weiterhin Herrn Hiller an. Ich denke nicht, dass es günstig wäre, meine persönlichen Verwicklungen einzugestehen, und die Vorstellung, morgens in der Kanzlei aufzulaufen und das junge Glück mal gründlich unter die Lupe zu nehmen, gefällt mir.
    Eine Schwierigkeit könnte es aber dennoch geben. »Muss ich mich da noch vorstellen?«, frage ich vorsichtig, denn das könnte ein klitzekleines Problem werden. Schließlich kennt mich der Langner, ansonsten aber so gut wie niemand aus der Kanzlei. Und dass sich der Herr Langner persönlich um die Einstellung von Hilfskräften kümmert, glaube ich eher nicht. »Nein, nein, dafür haben die ja uns. Die wissen, dass wir verlässlich sind. Wir haben denen gerade neulich eine Top-Kraft vermittelt. Begeistert waren die. Die wissen: Zeitarbeit Frisch hält, was sie verspricht. Sie müssen da nur pünktlich übermorgen um neun sein. Telefonieren werden Sie ja können.« Bisschen freche Bemerkung, aber ich schlucke sie. Er reicht mir einen Zettel mit der Adresse. Ich muss mich beherrschen, nicht zu rufen: »Ich weiß, wo die sind.« Ich hätte theoretisch ja sogar eine Mitfahrgelegenheit. Theoretisch. Ich werde Christoph ganz sicher nicht verraten, wo ich
einen Job bekommen habe. Dieses doofe Gesicht möchte ich gerne live erleben.
    »Sie können sich auf mich verlassen, Herr Hiller, übermorgen um neun bin ich da.« »Ach und eins noch, Frau Schnidt, seriöse Arbeitskleidung ist erwünscht!«, sagt er streng und mustert mich. Trage ich vielleicht Hot Pants und bauchfrei? Was bildet der sich ein? Sehe ich aus wie eine, die nicht weiß, dass man nicht in Badeschlappen ins Büro schlurft? Das hier ist mein bester Hosenanzug! Der war richtig teuer. Bestimmt teurer als das gräuliche Teil von Herrn Hiller, das allerdings wirklich sehr gut mit seiner Gesichtsfarbe harmoniert. Na ja, wer weiß, was der hier verdient. Ich lasse ihm die Freude und nicke brav, »Selbstverständlich, Herr Hiller!« Er freut sich tatsächlich. Wahrscheinlich, weil die Agentur Frisch 25  Euro die Stunde bekommt und so durch jede meiner Arbeitsstunden zwölf Euro verdient – die ich erarbeite. An und für sich eine absolute Unverschämtheit. Aber ich bin einfach nur froh, einen Job ergattert zu haben. Und dann auch noch diesen. Wunderbar. Wenn das ein Omen für den Rest des Tages ist – prima, prima. Ich bedanke mich artig, setze meine Unterschrift unter die Verträge und verabschiede mich von Herrn Hiller. Wenn das alles gut läuft, bringe ich ihm bei Gelegenheit einen Obstkorb vorbei. Seine Gesichtsfarbe schreit geradezu nach Vitaminen.
     
    Ich könnte jetzt in aller Ruhe nach Hause fahren und noch eine Maschine Wäsche waschen und mal durchsaugen. Könnte! Ich meine, es wartet ja niemand auf mich. Die Kinder sind aushäusig versorgt, Christoph ist arbeiten und die Wäsche ist heute Abend auch noch da. Bis
zum Treffen mit Sabine habe ich noch ein paar Stunden Zeit. Ich werde einen schönen Stadtbummel machen, beschließe ich, und schon der Gedanke an die freie Zeit beschwingt mich. Wäre ich allein stehend, hätte ich ständig freie Zeit. Müsste nur das tun, was ich

Weitere Kostenlose Bücher