Treuepunkte
Hobbyprivatdetektivinnen jemandem hinterherzuschnüffeln. Andererseits – dieser Jemand ist gerade dabei, sich meinen Mann zu krallen, und da geht es nicht mehr um Dinge wie Souveränität, sondern ums Siegen.
Das Schlachtplanschmieden macht Spaß. Ich vergesse zwischenzeitlich sogar, dass ich eigentlich stinksauer bin und kurz vor der Scheidung stehe. »Gib mir mal die Telefonnummer von dieser Michelle«, verlangt Sabine. Will sie vielleicht vorher anrufen und uns ankündigen? »Wir wollen bei der nicht zum Abendessen eingeladen werden, wir wollen sie ausspionieren, da ruft man nicht vorher an«, weise ich Sabine auf elementarste Grundregeln der Schnüffelei hin. »Weiß ich doch«, unterbricht mich die neugeborene Mata Hari, »ich will mir nur ein Bild von ihr machen. Wenigstens akustisch. So eine Stimme sagt doch einiges über die Person aus.« Ich finde, dass das nicht unbedingt nötig ist, willige aber ein, die Nummer zu besorgen. Aus dem Kopf weiß ich sie nicht, schließlich gab es bisher keinen Grund für mich, die Telefonnummer von Belle Michelle zu kennen, und wenn ich jetzt Christoph danach fragen würde, wäre das sicherlich taktisch nicht klug und auch etwas auffällig. Wir verabreden uns für morgen Nachmittag. Ich werde Sabine vom Arbeiten abholen und dann werden wir einen ausgeklügelten Strategieplan erarbeiten. Meine Stimmung ist erheblich besser, als ich den Hörer auflege. Den Rest des Abends widme ich der Schönheit. Man kann sich wirklich stundenlang mit Körperpflege beschäftigen. Manchmal war ich da in letzter Zeit ein wenig nachlässig. Ich weiß, die
gute Ehefrau lässt sich nie gehen, ist stets topgepflegt und lecker anzusehen. Im Prinzip halte ich das auch für wichtig. Im Alltag hingegen halte ich es für schwierig. Das tägliche Geschäft rund um die Kinder macht müde. Da gibt’s abends Schöneres, als sich akribisch der eigenen Hornhaut zu widmen. Und da ich selten Röcke trage, ist es auch nicht dramatisch, wenn Beine zwischendurch mal ein bisschen stoppelig werden. Ich meine, nicht dass ich mir richtig Fell wachsen lassen würde. Bisher gab’s noch nie Beschwerden. Gut – vielleicht ist diese Nacht gar nicht die Antwort auf die Bein-ab-Krankenhaus-Geschichte, sondern eigentlich nur der willkommene Anlass, meinen Stoppelbeinen zu entkommen. Je mehr ich darüber nachdenke, desto verzwickter wird die Angelegenheit. Ich lege eine Maske auf, rasiere, zupfe und creme. Es ist gut zu tun. Aber wer weiß, vielleicht muss dieser Körper demnächst einer Erstbesichtigung standhalten und jede Frau weiß, wie kritisch der erste Blick des potenziellen Lovers auf den nackten Körper ist. Je älter man wird, umso mehr Baustellen tun sich auf und umso hartnäckiger zerrt die Schwerkraft an einem. »Ich muss unbedingt für gutes Licht sorgen, wenn es denn soweit ist«, denke ich. »Und am besten schnell hinlegen, dann sieht der Bauch flacher aus und die Brüste hängen weniger, kippen allerdings dann seitlich weg.« Aber ein Schritt nach dem anderen. An sich lockt mich ein neuer Mann wenig, aber mal wieder auf die Pirsch zu gehen schon. Und das damit verbundene Abenteuer auch. Allein der Gedanke, bald mal was Neues zu erleben, ist berauschend. Ich brauche eineinhalb Stunden, um meinen Körper auf Vordermann zu bringen. Nur das Allernötigste und natürlich nur im Bereich
meiner eigenen Möglichkeiten. Schwangerschaftsstreifen kann man nun mal nicht wegcremen. An einem Abend schon gar nicht. Ab heute werde ich das täglich tun, beschließe ich sicher nicht zum ersten Mal. Leider kann man sich im heimischen Badezimmer kein Fett absaugen oder Tränensäcke zurückschneiden. Welch eine herrliche Vorstellung: So ein kleines Gerät, mit dem man abends nach dem Zähneputzen an den kritischen Stellen mal eben das überschüssige Tiramisu oder die Schnitzelchen absaugt. Stattdessen lackiere ich mir sogar die Zehennägel. Gehört normalerweise nur zum Sommerprogramm, aber es soll ja nicht an den Füßen scheitern. Wer weiß, wen ich kennen lerne. Angeblich ist die Welt voll mit Männern, die auf Füße stehen. Ich nehme ein klares Rot. Mit Orangetönen sieht meine Haut aus, als wäre ich kurz vorm Ende. So blass-bläulich. Ich glaube, Orange geht nur bei sommersprossigen Frauen oder bei knackbraunen. Bei Nagellackfarben für die Zehen beuge ich mich keinerlei Trends. French Manicure sieht auf gepflegten Füßen wunderbar aus, aber die French Manicure-Malerei ist was für Geduldige. Mehrere Schichten
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