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Treuepunkte

Treuepunkte

Titel: Treuepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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Andererseits: Der Vorteil, wenn man verkracht ist – man muss ja gar nichts erklären. Was
geht es den an, wo ich hingehe? Nichts, rein gar nichts. Für die Nacht neulich bei Belle Michelle habe ich locker mehrere Abende gut. »Klar komme ich mit«, sage ich zu Sabine und denke, »Wieso eigentlich nicht mal eine Vernissage?« Wenn es öde ist, habe ich immerhin was für meinen Intellekt getan. »Ich hole dich dann gegen halb neun ab. Ist das okay für dich?«, macht sie gleich aus meiner vagen Zusage eine verbindliche Verabredung. »Ja klar.« Dann muss Christoph diese Woche eben mal früher aus der Kanzlei kommen oder er kümmert sich um einen Babysitter. Zwei Abendverabredungen in der Woche stehen eigentlich auch einer Mutter zu. Genau das werde ich ihm heute Abend mitteilen. Schließlich fragt er mich auch nicht um Erlaubnis, wenn er irgendwas vorhat. Gut, es handelt sich meistens um Arbeit, aber wer weiß, was der so alles unter Arbeit versteht. Vielleicht hat Belle Michelle ja Zeit und passt mit ihm zusammen auf die Kinder auf. Was für ein Gedanke. Belle Michelle als Babysitter für meine Kinder. Dann wäre die Sache definitiv gelaufen. Eine Nacht mit meinem Mann könnte ich eventuell noch verzeihen, aber Belle Michelle in meinem Haus mit meinen Kindern – allein die Vorstellung treibt mir Hasspickel ins Gesicht. Das wäre definitiv ein Scheidungsgrund. »Wehe, Freundchen«, denke ich.
     
    Ich schlage Sabine vor, die Beschattung abzubrechen. Schon aus Zeitgründen. Irgendwann muss ich auch die Kinder wieder abholen und bisher tut sich vor der Kanzlei rein gar nichts. Ich hatte mir Detektivarbeit spannender vorgestellt. Sabine wirkt enttäuscht. »Du musst bei einer solchen Sache Geduld haben, sonst wird das nichts«,
redet sie mir ins Gewissen. »Jetzt sitzen wir schon so lange hier rum, da wäre es doch extrem ärgerlich, jetzt zu fahren, und dann erscheint die fünf Minuten später.« Diesen Gedankengang kann ich sehr gut nachvollziehen, habe aber trotzdem keinerlei Lust, noch länger hier abzuhängen.
    »Sabine, ich habe heute Abend ein Date, ich muss die Kinder noch abholen und Christoph anrufen, damit er nicht zu spät heimkommt.« »Du hast ein Date? Mit wem denn das?«, ist Sabine ziemlich erstaunt. Fast so, als hätte ich gesagt: »Heute Abend kommt der Dalai Lama auf einen Teller Grießbrei bei mir zu Hause vorbei.« Ich erzähle ihr von Herrn Hiller, verschönere ihn aber ein ganz klein bisschen, nicht ihm zuliebe, sondern um selbst besser dazustehen. »Wo gehst du mit ihm hin?«, ist ihre nächste Frage. »Er, also der Helmuth, ruft mich heute Abend an und dann machen wir einen Treffpunkt aus«, berichte ich absolut wahrheitsgemäß. »Der Helmuth, aha. Seid ihr euch schon nähergekommen?«, insistiert Sabine. »Ja«, sage ich und denke an den verrutschten Duzkuss und dann: »Na ja, eigentlich nicht wirklich«, weil es eigentlich ja nichts Amouröses war. »Wow, wer hätte das gedacht, Andrea, mein lieber Scholli, das geht ja ganz schön schnell bei dir mit der Rache«, befindet sie und ihr »Wow« beflügelt mich.
    »Warte einen Moment noch auf mich, ich gehe mal schnell was erledigen«, sagt sie dann abrupt und steigt aus dem Auto. Was will die denn? Bevor ich Einwände äußern kann, ist sie im Eingang zur Kanzlei verschwunden. Das kann nur extrem peinlich enden. Bitte, lass sie schnell wieder zurückkommen. Bitte, lass sie nicht
Christoph treffen. Am liebsten würde ich einfach losfahren. Aber zum einen ist das hier Sabines Auto und zum anderen wäre das unserer langjährigen Freundschaft sicherlich nicht zuträglich.
    Ich rutsche tief in den Autositz und starre auf die Eingangstür. Und als hätte ich einen magischen Blick, passiert es auch schon: Die Tür des Hauses, in dem sich auch die Kanzlei befindet, geht auf und Christoph erscheint. Allein. Hat Sabine alles verraten? Wird er mich jetzt aus dem Auto zerren und zur Rede stellen? Nein, augenscheinlich sieht er mich nicht. Dafür habe ich Zeit, ihn zu betrachten. Er sieht gut aus, wenn man ihn, so ohne jedes Hintergrundwissen, frei von Zorn und verletzter Eitelkeit, anschaut. Ja – ich rede von verletzter Eitelkeit. Ich würde das jetzt nicht bei jedem zugeben, aber immerhin vor mir selbst versuche ich, ehrlich zu sein. Ich glaube, momentan würde ich das nicht mal Christoph gestehen. Ich hätte Angst, Angriffsfläche zu bieten. Emotionale Schwachstellen, deren Ausnutzung mich dann noch weiter runterzieht. Zu seinem Glück und meiner

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