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Treuepunkte

Treuepunkte

Titel: Treuepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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»Wir sind nicht zum Shoppen hier, außerdem hast du schon genug ausgegeben.« Sabine ist eher sparsam. Sie liebt jede Art von Fake. »Ich zahle doch nicht, nur weil so ein Täschchen von Gucci ist, Hunderte von Euro, wenn man ein Nachgemachtes für ein Zehntel kriegen kann«, ist ihre Devise. Dass man oft sieht, ob etwas Original oder Fälschung ist, interessiert Sabine nicht. »Das merken sowieso nur Frauen, und Männern ist es gleichgültig, ob man was Nachgemachtes trägt oder ein Original – Hauptsache, es sieht scharf aus«, glaubt sie. Ich bewundere Sabine für diese Lässigkeit, weil es sowohl vernünftig ist als auch ein gewisses Selbstbewusstsein beweist. Ich mag Originale und da ich mir die richtig teuren nicht leisten kann, kaufe ich am liebsten eine Kategorie darunter. Oder zwei. Ich verzichte auf den Boutiquebesuch und wir machen uns auf den Weg.
    Sabine erklärt mir auf dem Weg zum Auto ihre ausgeklügelte Strategie. »Wir parken schräg gegenüber von der Kanzlei und wenn sie auftaucht, diese Belle Michelle, werde ich sie fotografieren.« Zum Beweis für ihre perfekte Vorbereitung zieht sie ihre Digitalkamera aus der Tasche. »Wofür brauchen wir denn ein Bild von Belle Michelle?«, will ich wissen. »Na, um sie uns genau anzuschauen«,
antwortet sie, »schließlich sehen wir sie ja nur kurz und es ist immer gut, den Feind ganz genau ins Visier nehmen zu können.« Feind finde ich ein wenig hoch gegriffen, andererseits gefällt es mir, wie stark sich Sabine mit mir verbündet. Diese Solidarität tut mir gut. Freundinnen sind etwas Wunderbares. Ein Leben ohne Freundinnen muss das Grauen an sich sein. Ich sehe das auch langfristig. Ich meine – Männer haben nun mal eine kürzere Lebenserwartung (wer es nicht glaubt, muss nur einen Blick in jedes beliebige Altersheim werfen) und wenn wir Frauen dann alleine übrig sind, ist es doch sehr tröstlich, im Heim schon potenzielle Zimmergenossinnen zu haben.
     
    Zwanzig Minuten später finden wir einen Parkplatz in bester Position. So nahe am Eingang des Hauses, in dem sich die Kanzlei befindet, dass wir alles genauestens beobachten können, aber weit genug weg, dass wir nicht auf dem Präsentierteller sitzen. Alles perfekt, nur leider tut sich gar nichts. Um genauer zu sein, diese Spionageaktion ist eine ziemlich langweilige Angelegenheit. Zum Glück sitze ich nicht allein mit dieser albernen Insektenbrille im Auto, sondern in Begleitung von Sabine, die mir verbietet, auch nur für Sekunden die Brille vom Kopf zu nehmen.
    Das Schöne an meiner Begleitung: Sabine ist eine Frau, die immer jede Menge zu erzählen hat. Vor allem seit sie wieder Single ist und statt im Nachtleben im Internet unterwegs ist. Sabine findet, Männer-Akquise im Internet hat erhebliche Vorteile. »Du kannst im Jogginganzug vor dem Computer sitzen, mit Maske auf dem Gesicht, haarigen
Beinen und ohne jegliches Make-up, das spart irrsinnige Zeit. Und du kannst erst mal sortieren. Nur wenn die Beute wirklich lohnend erscheint, gehst du raus. Außerdem kannst du parallel sogar Fernseh gucken und was essen«, versucht sie mich zu überzeugen. Ich bin skeptisch. Wer weiß, mit welchem Kretin man sich da heißblütige E-Mails austauscht? Außerdem bin ich ein Augenmensch. Männer müssen mir auch optisch gefallen. »Dann lässt du dir ein Foto mailen«, erklärt sie mir Feinheiten. »Ja, aber können die nicht irgendein Foto schicken?«, frage ich nach. »Klar, aber ich ja auch«, lacht sie. Wir verabreden, in dieser Woche auf jeden Fall nochmal einen Internetstreifzug zu unternehmen. »Du wirst sehen, das eröffnet komplett neue Welten«, verspricht mir Sabine. Das Praktische am Internet: Man braucht nicht mal einen Babysitter.
    »Ach, und für morgen habe ich was ganz Cooles für uns«, trumpft Sabine auf. »Eine Vernissage. In der Braubachstraße in einer total angesagten Galerie. Ich habe die Einladung über einen Kollegen, dessen Frau eine Cousine zweiten Grades des Künstlers ist. Du gehst doch mit mir hin, oder?«, fragt sie mich. Ich würde ja schon, obwohl moderne Kunst nicht zu meinem bevorzugten Interessengebiet zählt. (Moderne Kunst verunsichert mich. Ich habe jedes Mal Schwierigkeiten, in dieser Art Kunst die Kunst zu entdecken und muss mir verkneifen, Bemerkungen wie meine Eltern zu machen – à la »Das könnte ich locker auch« oder Ähnliches.)
    Aber wenn ich heute Abend mit dem Graugesicht Hiller ausgehe und morgen mit Sabine – wie soll ich das Christoph erklären?

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