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Treuepunkte

Treuepunkte

Titel: Treuepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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Erleichterung ist keine Belle Michelle weit und breit zu sehen. Dafür trägt er eine Krawatte, die ich im Leben noch nie gesehen habe. Obwohl er etwa zehn Meter entfernt ist, bin ich mir sicher. Kein Wunder – die Krawatte ist bunt gestreift. Und zwar längs, was bei einer Krawatte eher selten ist (und auch ein wenig seltsam aussieht). Diese Krawatte kommt definitiv nicht aus unserem Kleiderschrank. Die ist mir völlig fremd. Ich hätte die nie gekauft. Die Längsstreifen sehen eigentlich sogar richtig dämlich aus und wirken wie eine Art Signal, wie ein Leuchtstreifen im Flugzeug – hier geht’s lang. Und wo
so eine Krawatte hindeutet, ist ja wohl eindeutig. Ob er die sich selbst gekauft hat? Kaum zu glauben. Nicht, dass sich mein Mann nicht alleine Krawatten kaufen darf, aber die meisten habe ich ausgesucht und bisher war Christoph auch kein Typ, der sich, eben mal so, eine Krawatte kauft. Er mag eigentlich gar keine Krawatten. Zieht privat niemals welche an. Wie kommt also dieser Krawattenmuffel zu einer neuen Krawatte? Da stimmt doch was nicht! Wo hat er die bloß her? Ich habe den unbändigen Drang, aus dem Auto zu springen, ihn an der Krawatte zu packen und die Herkunft dieses gestreiften Stücks Stoff hier und jetzt zu klären.
    Zum Glück kann ich mich beherrschen, denn dann müsste ich ihm ja auch erklären, was ich hier direkt vor der Kanzlei im Auto mache. Wenn er die heute Abend noch anhat, werde ich ihn fragen. Wenn nicht – dann ist sowieso alles klar. Das wäre das absolut eindeutige Indiz, dass er etwas zu verbergen hat. Christoph verschwindet aus meinem Blickfeld mitsamt seiner Signalkrawatte.
     
    Etwa zehn Minuten später – ich kauere noch immer im Sitz, fast schon im Fußraum vorm Beifahrersitz – erscheint Sabine im Eingang der Kanzlei. Ich öffne die Tür ein wenig und rufe: »Schnell, Christoph ist irgendwo hier draußen. Komm her, lass uns fahren.« Sie kommt zum Auto und steigt grinsend und in aller Seelenruhe ein. »Ich hab’s!«, sagt sie nur, bevor sie den Motor startet. »Was hast du in der Kanzlei gemacht und was hast du?«, frage ich voller Neugier. Sie genießt den Moment. »Eins nach dem anderen, Andrea. Also, ich bin da hoch und da kam Christoph an mir vorbei.« O nein, wie peinlich.
»Hat er dich erkannt?«, frage ich nur. »Nee, der ist im Treppenhaus an mir vorbeigestürmt und hat mich nicht mal eines Blickes gewürdigt.« Noch vor zwei Stunden habe ich Sabines Vermummung albern gefunden, jetzt bin ich verdammt froh darüber. Daran sieht man mal wieder, wie unaufmerksam Männer sind. Mein Mann erkennt meine beste Freundin nicht und das, nur weil sie sich ein Kopftuch umgebunden hat und mal ausnahmsweise ein wenig dezenter gekleidet ist als sonst. »Der ist die Treppe runtergestürmt, als würde er verfolgt. Der hätte nicht mal geguckt, selbst wenn ich nackt gewesen wäre. Na ja, und dann bin ich in die Kanzlei und habe nach einer Anwältin gefragt. Am Empfang war keiner und dann habe ich so einen älteren Mann gefragt – ich glaube, das war Christophs Chef, der mal auf einer Party bei euch war, dieser Langner. ›Ich kann nur mit einer Anwältin sprechen‹, habe ich zu ihm gesagt. ›Es ist ein Frauenthema.‹ Dabei habe ich die Hand vors Gesicht gehalten und gestöhnt. Der hat bestimmt gedacht, ich sei eine Ehefrau, die verprügelt wird oder so.« Wie clever von Sabine. Endlich rangiert sie nun auch aus der Parklücke und fährt los. Wenn Christoph zurückkäme und uns hier entdeckte, würde ich mich wirklich schämen. Sehr souverän ist so ein Hinterhergeschnüffel wahrlich nicht. Aber zu spät für Reue. »Ja und, was hast du dann gemacht?«, frage ich also weiter. Jetzt will ich es aber auch wissen. »Dann hat er mich in ein Büro geschickt und da saß sie.« »Belle Michelle?«, frage ich aufgeregt. »Genau die«, antwortet Sabine und man merkt, dass sie meine Nervosität genießt. »Ja, sag schon – wie sieht sie aus, wie ist sie so?«, verlange ich nach Details. Ich
hätte auch sagen können, »Los, demütige mich so sehr du kannst«, denn die Antwort von Sabine ist niederschmetternd. »Umwerfend schön, riesig, schlank und soo gepflegt. Ihre Haare – seidig wie nur was. Und eine Ausstrahlung – unglaublich.« Ich erstarre und muss erst mal tief durchatmen. Ich hatte wirklich gehofft, dass Christoph übertrieben hätte. Das tut er doch sonst auch gerne. Wie soll ich mit so einer Granate konkurrieren? Selbst mit meiner neuen Frisur. »Habe ich eine Chance

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