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Treuepunkte

Treuepunkte

Titel: Treuepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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nicht von so einem beschwatzen. Nachher muss schließlich ich mit der Frisur leben. Christoph wäre zutiefst geschockt – was man bei der momentanen Lage
natürlich durchaus auch als Vorteil werten könnte. Aber im sowieso schwierigen Zweikampf mit Belle Michelle bringt mich so ein Kopfkahlschlag nicht voran.
    »Es ist Ihr Kopf«, sagt der Friseur und klingt ein wenig verärgert. »Genau, es ist mein Kopf und deshalb möchte ich auch gerne entscheiden. Lang lassen, aber durchgestuft und mit mehr Farbe – das ist das, was ich will.« Der Meister nickt Miro zu und entfernt sich mit einem Schulterzucken, was übersetzt wahrscheinlich heißen soll: »Dann schneide der Unbelehrbaren und Ahnungslosen halt Stufen in ihr klägliches Haar.« Kaum ist der Meister weg, stimmt mir Miro zu: »Nee, also so kurze Haare, das ist nichts für Sie.« Angsthase. Hätte er doch auch eben sagen können. Aber gut. Man muss zugeben, er ist Auszubildender und damit quasi in einem Abhängigkeitsverhältnis. »Erst die Farbe, dann der Schnitt«, erklärt mir Miro das weitere Vorgehen. Nach einer weiteren halben Stunde sitze ich mit einem Kopf voller Alufolienstreifen da und starre in den Spiegel. Ich sehe aus wie eine Außerirdische mit einem silbernen Strahlenkranz um den Kopf, aber Miro ist glücklich. Weil das Strähnen so schnell ging. »Es gibt Frauen, da brauche ich zwei Stunden, um durchzusträhnen«, erzählt er mir stolz. Der Meister kommt wieder, um zu kontrollieren. Immerhin. Man lässt hier in diesem Trend-Salon die Azubis nicht einfach so vor sich hin wurschteln.
    Nachdem er die Folie abgenickt hat, geht er, zwei Stühle weiter, zu einer Kundin mit unbeschreiblichem Haar. Das hat ein Volumen, dass man daraus locker vier Köpfe mit meiner Haarmenge ausstatten könnte. Ich kann sie direkt nicht besonders leiden. Neid schafft selten Sympathie.
Hinzu kommt ihr Wehklagen. Sie möchte ihr Haar ausgedünnt haben und ich habe das Gefühl, dass sie dabei ständig zu mir rüberschaut und extra besonders laut jammert. Doofe Kuh. Nach weiteren zwanzig Minuten wird die Alufolie entfernt und die Farbe ausgespült. Das Ergebnis, soweit ich das im nassen Zustand beurteilen kann, ist gut. Es sieht einigermaßen natürlich aus. Ich bin beruhigt. Jetzt geht es ans Schneiden. Miro ist kein Plauderer. Er wirkt konzentriert und schnippelt vor sich hin. Es sieht immerhin recht professionell aus. Jedenfalls soweit ich das beurteilen kann. Ich bin nervös. Er schneidet und schneidet. Als er endlich die Schere aus der Hand legt, stoßen meine Haarspitzen gerade noch auf die Schultern und das, wo ich doch so stolz auf mein langes Haar war.
    »Kann ich die noch zum Pferdeschwanz binden?«, frage ich ängstlich. »Nee, glaub ich nicht«, sagt er und wirkt vollkommen unerschüttert. Was heißt in diesem Zusammenhang eigentlich glauben? Ich bin geschockt und fühle mich wie ein Kind, dem man im Schwimmbad die Flügelchen wegnimmt, kaum dass es einen Zug allein schwimmen kann. »Du wolltest doch eine Frisur und keinen Pferdeschwanz«, redet er weiter. Das stimmt natürlich, aber einen offenen Notausgang zuzubetonieren ist nicht das, was ich mag. Na ja. Zu spät. Ab ist ab. Er föhnt, arbeitet mit Bürsten und das, was ich eine viertel Stunde später sehe, ist großartig. Ich habe locker fallendes, glänzendes und blondes Haar. Ich könnte den Kerl küssen.
    »Fantastisch«, lobe ich Miro. Er lacht: »Schön, wenn du es magst.« Ich kann gar nicht genug bekommen von
meinem Spiegelbild. Ich drehe den Kopf, werfe mein Haar und bin begeistert. Leider ist auch die Rechnung fantastisch. Ich bezahle 89  Euro fürs Strähnen und 59  Euro fürs Schneiden. Außerdem schwätzt mir Miro noch eine Fönbürste, ein Glanztonic und ein Spezialshampoo für feines Haar auf, denn ohne das geht laut Miro bei meinem Haar gar nichts. Macht alles in allem 227  Euro und 80  Cent. Dafür hätte ich mir ja fast schon Extensions machen lassen können. Aber Extensions, diese künstlichen Haarsträhnen, die angeschweißt werden, mit so einer Art Heißkleber, sehen in dünnem Haar oft seltsam aus. Die lassen sich einfach nicht verstecken. Man muss Haare haben, bei denen man eine Schicht hochheben und die Extensions darunter anbringen kann. Wer wenig Haar hat, hat keine Schichten zum Hochheben. Bei mir schimmern ja die Ohren schon durch. Also hätte ich dann am gesamten Kopf sichtbare Heißkleberknötchen. Insofern kommen Extensions also für mich nicht infrage. 227 , 80 – eine Menge

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