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Trias

Titel: Trias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Kayser
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Bürger schließen sich mittlerweile den täglichen Demonstrationen und Ausschreitungen an. Die Unterschicht wächst allmählich zu einer unkalkulierbaren Macht heran. Gewalt und Chaos werden als selbstverständliches Mittel des Widerstands akzeptiert. Wohin soll das alles führen? Selbst die Eliten aus Universitäten, Manager aus der wohlhabenden Oberschicht und nationalkonservative Kräfte üben sich in öffentlicher Kampfrhetorik.«
    »Und setzen sich vom Solidaritätsgedanken mit den Schwächeren radikal und selbstbewusst ab«, legte Wilkens nach.
    Sprado nickte zustimmend. Cromme indes schwieg wieder. In seinem Kopf rumorten böse Vorahnungen. Diese Spaltungsbewegungen verhießen nichts Gutes, dachte er. Das roch nach Überforderung der Polizei, nach Einsatz der Bundeswehr und nach noch mehr Einfluss der Späher vom Verfassungsschutz. Er stöhnte kurz auf. Zwei Augenpaare kommentierten dieses Atemgeräusch mit missbilligendem Blick.
    »Wir sollten den amerikanischen Vorschlag nun schnell in die Tat umsetzen«, beeilte sich Cromme zu sagen. Seine Gegenüber nickten bedeutungsvoll.
    Auf einem Treffen der G8-Staaten im vergangenen Jahr in Lissabon hatte ein exzellent deutsch sprechender Mann die Bundeskanzlerin angesprochen. Er hatte sich als Thomas Gordon Spread vorgestellt.
    »Ich bin Chef der renommierten amerikanischen Denkfabrik Federal Institute for Energy Sources«, hatte er zu ihr gesagt, »und habe eine großartige Idee.«
    Kanzlerin Sprado hatte zunächst etwas unsicher reagiert. Sie war es nicht gewohnt, ohne Referenten mit Menschen zu reden, deren Anliegen die Belange des deutschen Staates betrafen.
    »Sagen Sie mir in aller Kürze, worum es geht«, hatte sie erwidert, um Spread auf Distanz zu halten.
    Und dann hatte er ihr ein Billionen-Dollar-schweres trilaterales Wirtschaftsabkommen zwischen Russland, den USA und Deutschland vorgeschlagen, das in seinen Ausmaßen und der Bedeutung für Bundeskanzlerin Lydia Sprado geradezu ungeheuerlich geklungen hatte. Legitimiert sei sein Handeln durch bereits erfolgte Absprachen mit der russischen und der amerikanischen Regierung. Neugierig geworden, hatte die Kanzlerin ihn kurz darauf nach Berlin eingeladen. Das Treffen hatte nicht länger als eine Stunde gedauert. »Klingt alles rasend spannend«, hatte sie ihm gegenüber verlauten lassen, nur mühsam ihre innerliche Erregung verbergend.
    Er hatte sie fein angelächelt.
    Bedenken darüber, dass die anderen europäischen Regierungen ein solches Geschäft als Affront empfinden müssten, hatte die Kanzlerin in einer ersten Reaktion beiseitegeschoben. Ihr erschienen nationale Alleingänge in Anbetracht der wirtschaftlichen Misere als lebensnotwendig und politisch vertretbar. In Absprache mit Moskau und Washington und unter höchster Geheimhaltung hatte T. G. Spread kurze Zeit später den Auftrag erhalten, mit jeweils einem Vertreter Deutschlands, Russlands und der USA das Konzept für einen unterschriftsreifen Vertrag zu entwickeln. Dafür ersannen die Unterhändler den Codenamen Trias, das lateinische Wort für Drei .
    Als Datum der Unterzeichnung hatten die Regierungschefs den bevorstehenden Herbstgipfel der G8-Mitgliedsländer im deutschen Ostseebad Marienstrand gewählt.
    Innenminister Cromme und Kanzleramtschef Wilkens gehörten zum kleinen Kreis derer, die von Kanzlerin Sprado in Trias eingeweiht waren. Zu groß war ihre Furcht, andere europäische Regierungen könnten davon erfahren und zu einem Zeitpunkt gegen Trias intervenieren, der das gesamte Projekt noch vor der Unterschrift zerstörte.
     
    Im Kanzlerbüro referierte Kanzleramtsminister Wilkens mit giftiger Stimme nun die Ereignisse der letzten Tage.
    »Die Spitzen der ROK rufen immer unverhohlener ihre Mitglieder dazu auf, jeweils zu Schichtbeginn oder anderen sensiblen Zeitpunkten die Arbeit niederzulegen und in Massen in Berlin zu demonstrieren. In einzelnen Ballungsräumen haben Müllmänner ihre LKW-Ladungen als Blockaden auf wichtige Kreuzungen geschüttet, Mitarbeiter von Stromversorgern minutenlang Energieströme für Firmen ab 5 000 Mitarbeitern abgeschaltet, und besonders motivierte Bauarbeiter haben in spontanen Aktionen Flüssigbeton zwischen die Schienen des öffentlichen Nahverkehrs geschüttet.«
    Auf dem Gesicht der Kanzlerin stand Verblüffung. »Beton auf die Schienen? Und was ist, wenn der hart wird?«
    Kanzleramtsminister Wilkens sah verdutzt zu ihr hin. Er atmete kurz durch.
    Lydia Sprado kam in Fahrt. Die Wut über die

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