Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
von Anfang an auf der richtigen Spur gewesen. »Schulze hat sich umgebracht.«
»Ja, er hat sich das Leben genommen, weil er die Enthüllung mehr als den Tod fürchtete.«
»Und sein Selbstmord wurde anschließend vertuscht.«
»Natürlich. Es durfte ja keine unangenehmen Fragen geben.« Radomski holte tief Luft und stieß sie gleich darauf in einer kleinen weißen Wolke wieder aus. »Aber Schulze war es nicht, den ich gemeint habe. Monate, bevor er sich umgebracht hat, gab es einen anderen Toten. Er brachte alles erst ins Rollen.«
Zwei Tote?
Das wurde ja immer besser! Eine prächtige Story.
Eine verdammt heiße Story.
»Und wer war das Opfer?«
»Den Namen kenne ich nicht. Aber ich weiß, dass der …« Ein plötzliches Zischen durchbrach die Stille. Dann machte Radomskis Körper einen Satz, als hätte er einen Schlag bekommen, und Blut spritzte aus seinem Schädel.
In der nächsten Sekunde krachte ein zweiter Schuss.
74
Es dauerte endlose Stunden, unzählige Telefonate und unendlich viele Zigaretten, bis der Leiter der Ermittlungsgruppe endlich bei Anna klingelte. Polizeihauptkommissar Peter Veckenstedt war kaum zur Tür hereingetreten, da bestürmte sie ihn schon mit Fragen: »Haben Sie etwas herausgefunden? Haben Sie einen Hinweis? Eine Spur? Können Sie …?«
Veckenstedts Kopfschütteln ließ sie verstummen. »Es tut mir leid, ich kann Ihnen keine positive Nachricht überbringen.«
Annas Stimme schraubte sich eine Oktave höher. »Aber warum nicht? Was haben Sie …?«
Alan führte die beiden ins Wohnzimmer. Als sie auf dem Sofa saßen, fragte er: »Haben Sie die Suche nach unserem Sohn eingeleitet?«
Unserem Sohn
,
schoss es Anna wie ein Echo durch den Kopf
.
Merkwürdigerweise störte sie die Formulierung nicht. Sosehr sie Alan am Abend zuvor noch hatte verletzen wollen, so dankbar war sie jetzt, ihn an ihrer Seite zu wissen. Seine Nähe flößte ihr Kraft ein, die sie dringend brauchte, um das hier durchzustehen.
»Mein Team hat sich mittlerweile mit den Lehrern und Schulkameraden Ihres Sohnes unterhalten«, begann Veckenstedt. »Manuel war gestern in der Schule …«
»Natürlich war er da!«, unterbrach ihn Anna aufgebracht. »Schließlich habe ich ihn dort abgesetzt.«
Veckenstedt nickte nachsichtig. »Eine Lehrerin kann sich daran erinnern, Ihren Sohn nach Unterrichtsende gesehen zu haben, wie er die Schule verlassen hat. Wir haben versucht, seinen Heimweg zu rekonstruieren, konnten aber leider bis jetzt keinen weiteren Zeugen finden, der Ihren Sohn bemerkt hat. Wohin Manuel nach der Schule gegangen ist, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht feststellen.«
»Auf jeden Fall nicht nach Hause!« Anna warf dem Beamten einen vorwurfsvollen Blick zu. Mit seinen grauen Haaren, dem Schnauzbart und dem von Falten gezeichneten Gesicht wirkte er wie ein älterer Mann, der sich in aller Gemütlichkeit auf seine Pension vorbereitete.
Bloß keinen Stress auf die letzten Tage.
Das Gefühl, dass ein angehender Rentner mit der Suche nach ihrem Sohn betraut war, behagte ihr ganz und gar nicht. »Er ist jetzt schon fast vierundzwanzig Stunden verschwunden!«
»Weswegen wir die Sache auch sehr ernst nehmen.«
»Das freut mich zu hören.« Sie konnte den Sarkasmus in ihrer Stimme nicht verbergen. »Aber was sitzen wir dann noch hier? Sollten wir nicht …?«
»Frau Benson, wir haben bereits eine Sonderkommission eingerichtet. Die Kollegen der Bereitschaftspolizei sind inzwischen im Einsatz. Sie suchen die Gegend rings um Ihre Wohnung und die Schule ab und nehmen den Weg dazwischen genau unter die Lupe.«
Sosehr Anna auch erleichtert war, dass endlich etwas unternommen wurde, ihren Zorn konnten die Informationen nur bedingt besänftigen. »Das hat mein Mann letzte Nacht doch auch schon gemacht.«
»Das war auch gut so«, bestätigte Veckenstedt, »aber die Kollegen der Bereitschaft werden die Suche auch ausweiten. Straßenzug um Straßenzug werden wir durchkämmen und danach mit Spürhunden in leer stehende Gebäude und Fabrikgelände gehen – dafür bräuchte ich etwas Persönliches wie ein T-Shirt von Manuel. Darüber hinaus möchte ich sein Zimmer von einigen Kollegen nach möglichen Hinweisen prüfen lassen.«
Anna platzte der Kragen. »Auch das haben wir bereits gemacht!«
»Frau Benson, meine Kollegen sind geschult für derartige Vermisstenfälle. Das ist ihr Beruf. Sie wissen, wonach sie suchen müssen«, Veckenstedt machte eine kurze Pause, »und auch, nach wem.«
»Nach wem?«
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