Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
gleich?«
»Stimmt, das war umständlich von mir. Also: Wird Herr Sackowitz heute noch erwartet?«
»Das weiß ich nicht.«
»Aber Sie könnten es möglicherweise in Erfahrung bringen?«
»Ja«, sagte Bodkema, verharrte aber wie eine Betonmauer an Ort und Stelle.
»Wann haben Sie Herrn Sackowitz zum letzten Mal gesprochen?«
Die Betonmauer zeigte menschliche Regungen. »Ist ihm etwa etwas passiert?«
»Das weiß ich noch nicht.«
»Was soll das denn heißen?«
»Das soll heißen, dass ich mir nicht sicher bin. Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Also, wann haben Sie ihn gesprochen?«
Geb ich dir was
,
gibst du mir was.
Das journalistische Kalkül stand Bodkema auf der Stirn geschrieben. »Gestern Mittag haben wir uns unterhalten.«
»Hat er mit Ihnen über das Thema gesprochen, an dem er arbeitet?«
Bodkema hatte jetzt jenen Blick aufgesetzt, den nur Journalisten kannten – und Polizisten, die mit ihnen zu tun hatten. Kalkbrenner nannte ihn den Sensationsblick
.
»Es geht also um den Fall Fielmeister«, schlussfolgerte Bodkema triumphierend. »Deshalb sind Sie hier. Sie leiten die Ermittlungen in dem Mordfall, stimmt’s?«
»Und Herr Sackowitz?«, fragte Kalkbrenner, ohne auf die Frage einzugehen. »Woran arbeitet der?«
»Sie meinen, er hat etwas herausgefunden, von dem Sie glauben, dass es Ihnen helfen könnte?«
»Das frage ich Sie.«
Der Chefredakteur blickte plötzlich durch die Beamten hindurch. »Da haben Sie aber Glück, dass Sie ihm die Frage gleich selbst stellen können. Dahinten ist er ja.«
92
»Aidan!«, jubelte Tabori.
»Tabori!«, lachte sein Freund. Noch immer hingen ihm der Lodenmantel und die speckige Jeans am Leib. Auch die struppige Mähne hatte in den letzten Tagen kein Wasser gesehen. Sein Gesicht schien schmutziger, sein Körper dürrer zu sein. Zwischen den Zähnen klaffte eine schwarze Lücke: Überbleibsel des Zusammenstoßes mit der rumänischen Gang.
»Wo bist du gewesen?«, fragte Tabori. »Ich habe den ganzen Nachmittag bei
Saturn
auf dich gewartet!«
»Da wollte ich auch hin, aber dann bin ich wieder diesen Typen begegnet und musste mich verstecken. Ich hatte Schmerzen, konnte mich kaum bewegen. Schließlich bin ich eingeschlafen. Und als ich gestern zur Baustelle gegangen bin, hatten sie alles schon abgerissen.«
»Ja, sie haben mich auch vertrieben.«
Aidan griff in seine Manteltasche. »Aber das hier habe ich noch gefunden.« Er strich ein zerknittertes Stück Papier glatt und gab es Tabori.
Außer sich vor Freude betrachtete der Junge das Foto von Mickael und seiner Mutter. Dann steckte er es in die Gesäßtasche und schwor sich, es nie wieder zu verlieren.
»Dir ist es anscheinend besser ergangen«, stellte Aidan mit einem Blick auf Taboris Klamotten fest.
»Ein bisschen.« Es war Tabori unangenehm, dass er bei Ludwig Unterschlupf gefunden hatte, während sein Freund irgendwo in der Kälte Schmerzen hatte erleiden müssen.
»Ich habe seitdem leider noch nichts verdient.«
»Willst du eine heiße Schokolade?« Tabori wollte ihn aufmuntern. »Ich kann dich einladen!«
»Hast du so viel Geld mit Autowaschen gemacht?«
»Ach was«, winkte Tabori ab, sagte aber nichts weiter. Seinem glücklosen Freund zu erzählen, dass er das Geld geschenkt bekommen hatte, wäre unfair gewesen, weshalb er es bei dem Vorschlag beließ: »Lass uns etwas trinken gehen!«
Weil die Tische bei
McDonald’s
alle besetzt waren, schlürften sie die heiße Schokolade auf der Straße, während sie sich an die Rückwand eines Zeitungskiosks lehnten.
»Lass uns gleich ein bisschen Spaß haben«, sagte Aidan.
»Ja, das machen wir.« Tabori hielt den Vorschlag für eine tolle Idee. Als er den leeren Plastikbecher in einem Mülleimer entsorgte, erregte ein Plakat im Kioskfenster seine Aufmerksamkeit. Das Gesicht auf dem Poster kam ihm bekannt vor, mehr aber noch das Shirt mit dem debil grinsenden gelben Comickopf. »Das ist Manuel!«
»Was ist?«, rief Aidan, der bereits einige Meter vorgelaufen war und sich nun wieder umdrehte. »Wer?«
»Manuel.«
»Und wer soll das sein?«
»Er war bei
Saturn.
Wir haben zusammen gespielt.«
Aidan deutete auf die Titelseiten einiger Zeitungen, die in einem Rollständer vor dem Kiosk klemmten. »Siehst du, jetzt ist er in der Zeitung. Komisch.«
»Manuel war der Beste beim
Street Soccer.
«
»Vielleicht ist er ja Meister geworden?«
Tabori kicherte und bemühte sich, die Worte einer Schlagzeile zu verstehen:
Manuel (10)
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