Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
auch einfach nicht kommen sehen«, warf Frau Vissermann spitz ein.
»Das war ja mal wieder klar, dass du ihn in Schutz nimmst«, zürnte Ott.
»Inwieweit war der Bruder von Herrn Fielmeister in die Entscheidungen involviert?«, kam Kalkbrenner wieder zur Sache.
»Herr Peglar? Gar nicht. Fielmeisters
gehörte einzig und allein Rudolph Fielmeister. Er hat die Firma von seinem Vater übernommen, Marten war nur als Prokurist bei ihm angestellt. Nach außen hin gaben sich die beiden zwar gerne als gleichwertige Partner, aber bei grundsätzlichen Entscheidungen ließ sich Herr Fielmeister nicht hineinreden. Er sah einzig sich allein verantwortlich für die Firma. Ich persönlich finde ja, manchmal hätte er noch eine andere Meinung einholen sollen, aber wie gesagt, da war er sehr eigensinnig.«
»Eigensinnig?«, prustete die Sekretärin los. »Ich würde eher sagen: sich seiner Verantwortung bewusst.«
»Ach ja? Das nennst du Verantwortungsbewusstsein?«, bellte Ott. »Setzt seine Mitarbeiter über Nacht auf die Straße. Arbeitslos, ausgerechnet in Brandenburg, Potsdam, Berlin. Hier findet man so schnell nichts Neues. Vielleicht bleibt man auch für immer arbeitslos.«
»Aber der Chef hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht«, hielt Frau Vissermann dagegen.
»Pah!« Ott hieb auf die Tischplatte und faltete dann die Hände wie zum Gebet. »Einer der entlassenen Mitarbeiter hat sich sogar umgebracht. In seinem Abschiedsbrief stand, er habe als Mann versagt, weil er nicht mehr für seine Frau und seine Kinder hätte sorgen können. Bei so einer Tragödie wiegt es natürlich schwer, dass der Fielmeister sich die Entscheidung nicht leicht gemacht hat. Vielleicht war der Schock über den Selbstmord für die Belegschaft sogar noch größer als über die Entlassungen selbst. Von diesem Tag an gab es vermehrt böse Worte, Beschimpfungen und Verwünschungen.«
»Auch Drohungen?«
Ott wackelte unwillig mit dem Kopf. »Schon, aber wir haben das natürlich nicht ernst genommen. In einer solchen Situation, wo man mit erhitztem Gemüt die eigene Enttäuschung und den Schock über den Tod eines Kollegen verkraften muss, sagt jeder mal Dinge, die er später bereut. Die Wut muss halt erst mal irgendwie raus.«
»Aber dabei blieb es nicht?«, vermutete Kalkbrenner.
»Bald gab es E-Mails.« Ott faltete seine Finger und hob sie an den Mund. »Ziemlich böse E-Mails.« Er seufzte.
»Sie meinen Morddrohungen? Von wem?«
Der Personalchef griff wieder nach der Akte, die er am Anfang des Gesprächs herausgesucht hatte. »Das wusste Herr Fielmeister nicht. Die Mails wurden von einem anonymen Account aus versandt.«
»Und die Polizei wurde nicht verständigt?«
»Nein, er maß der Sache keine große Bedeutung bei«, mischte sich jetzt wieder die Sekretärin ein. »Er war ein Mensch, der kein großes Aufheben um unangenehme Dinge machte. Solche Sachen klärte er lieber im Stillen.«
»Genau, bloß keine Öffentlichkeit! Das war sein Motto.« Otts Stimme triefte förmlich vor Sarkasmus. »Deshalb hätte er auch die Kündigungen am liebsten unter den Teppich gekehrt.«
»Das ist nicht fair!«, beschwerte sich Frau Vissermann. »Sein Verhalten war nur ein Zeichen dafür, wie schwer ihm die ganze Sache fiel.«
»Ach was!«
»Ich würde mir die E-Mails gerne ansehen«, unterbrach Kalkbrenner die Streithähne mit ruhiger Stimme.
»Das tut mir leid: Ich habe sie nicht«, entgegnete Ott. »Ich habe sie gelöscht.« Als ihm bewusst wurde, was er da gerade von sich gegeben hatte, räusperte er sich und haspelte schnell: »Schon damals.«
»Sie sind alle auf Herrn Fielmeisters PC gespeichert«, entspannte Frau Vissermann die Situation. »Aber auf den habe ich keinen Zugriff. Der Rechner ist mit einem Passwort geschützt.«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich den Rechner mit auf das Präsidium nähme? Da haben wir Experten für solche Sachen.«
»Also, ich weiß nicht«, stotterte die Sekretärin unschlüssig.
»Dürfen Sie das denn rechtlich?«, wandte Ott ein.
»Liebe Frau Vissermann, Sie wollen doch sicherlich, dass wir den Mörder Ihres Chefs finden.« Kalkbrenner sprach bewusst die Sekretärin an. »Es ist durchaus möglich, dass er noch andere E-Mails bekommen hat, von denen er nichts erzählt hat, die aber einen wichtigen Hinweis auf seinen Mörder enthalten könnten.«
Die Frau zögerte, dann willigte sie ein.
Als Kalkbrenner ihr auf den Flur folgte, drehte er sich noch einmal um. »Und Sie, Herr Ott, stellen mir
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