Trieb
gesagt?«
»Nein, nur Homo.«
»Bist du dir sicher?«
»Ja, und dann Aidan ist … weglaufen.«
Ludwigs Miene hellte sich auf. »Na, da hast du dir aber einen tollen Freund ausgesucht. Erst beschimpft er dich«, er verteilte flüssige Seife auf den schmutzigen Tellern in dem Spülbecken, »und dann rennt er ohne ein Wort davon.«
Immerhin so viel hatte Tabori begriffen: Er hatte seinen Freund erneut verloren – und diesmal wohl für immer.
»Mach dir nichts draus. Solche Freunde brauchst du nicht.« Ludwig legte Tabori die Hand auf die Schulter. »Vielleicht triffst du ja schon bald deinen Cousin wieder, wer weiß?«
»Du … Ryon gefunden?«
»Ich habe nach ihm gesucht.« Ludwig wuschelte Tabori aufmunternd durchs Haar. »Georg, ein guter Freund von mir, hat gesagt, er weiß, wo Ryon ist. Er gibt uns morgen Bescheid.«
Das zu hören machte Tabori wieder etwas froher.
»Dann wird alles wieder gut«, versicherte ihm Ludwig.
Das wollte Tabori ihm nur zu gerne glauben.
»Geht es dir jetzt wieder besser?«
Tabori nickte.
»Schön«, freute sich Ludwig. »Ich werde kurz duschen, und wenn ich damit fertig bin, spielst du mir etwas auf der Gitarre vor, okay?«
101
In Schmargendorf hatte sich die Nachricht vom Fund einer Leiche in Windeseile herumgesprochen. Schaulustige drängelten sich vor den rot-weißen Absperrbändern, die ihnen den Zutritt zu dem Industriegebiet und dem kleinen Park verwehrten. Familien hatten anscheinend sogar ihren Wochenendausflug hierher verlegt. Mit einer dick belegten Stulle zwischen ihren Handschuhen verfolgten mehrere Kinder interessiert die Arbeit der Polizisten. Und auch Journalisten waren da – Heerscharen von ihnen.
»Herr Kalkbrenner, warten Sie!« Einer der Reporter hatte ihn erkannt. Ein erwartungsvolles Raunen ging durch die Medienmeute. »Haben Sie Informationen für uns?«
»Was ist mit dem Jungen passiert?«
»Wurde er missbraucht?«
»Wissen Sie schon, wer ihn umgebracht hat?«
»Wann wird der Mörder verhaftet?«
»Haben Sie überhaupt eine Spur?«
»Hat die Polizei versagt?«
In dem Gedränge hatte Kalkbrenner seine junge Kollegin aus den Augen verloren. Er duckte sich unter dem Flatterband hindurch, um Distanz zwischen sich und die Reporter zu bringen, und plötzlich war Muth auch wieder an seiner Seite. »Denen hat doch jemand echt ins Gehirn geschissen.«
Wie immer treffend auf den Punkt gebracht.
»
Denen sollte man mal gegen das Hirn hämmern«, empfahl jetzt auch ein dürrer Mittfünfziger mit tiefen Augenringen, unrasierten Wangen und mehr Falten im Gesicht als im Anzug. Er stellte sich als Peter Veckenstedt vor, der bisher als Leiter der Soko »Manuel« für die Suche nach dem verschwundenen Jungen verantwortlich gewesen war. »Wenn ich so etwas schon höre:
Hat die Polizei versagt?
Wieso fragen diese Geier nicht,
warum
das Kind überhaupt verschwunden ist?«
»Und warum ist es verschwunden?«, wollte Muth wissen.
Veckenstedts übernächtigtes Gesicht zeigte den Anflug eines Lachens, bevor ihm die auf ihn gerichteten Reporterlinsen bewusst wurden. Er winkte Kalkbrenner und Muth in ein Gebäude mit dem Türschild »Bücherei«. »Da müssen Sie wohl die Mutter fragen.«
»Anna Benson?«
»Der erste Mann ist gestorben, vom zweiten lebt sie getrennt. Ihre Firma steht kurz vor der Pleite, also vernachlässigt sie ihren Sohn. Er ist einsam und unglücklich, verdaddelt die Zeit mit diesem neumodischen Kram,
Street Soccer
oder wie das heißt, oder stromert nachmittags nach der Schule durch die Stadt.« Veckenstedt rieb sich die Lider. Im Weiß seines Augapfels zeichneten sich rote Äderchen wie dünne Blitze ab. »Und die Mutter hat von nichts eine Ahnung.«
»War Manuel auf seinen Touren alleine unterwegs?«
»Falls er sich mit jemandem getroffen hat, so hat er es verschwiegen.« Veckenstedt hob hilflos die Hände. »Und jetzt finden Sie mal einen Jungen, von dem Sie nur wissen, dass er sich möglicherweise mit irgendwem irgendwo in Berlin herumtreibt.«
»Da haben Sie schon eher einen Sechser im Lotto«, warf Veckenstedts Assistent ein, der sich als Oliver Hansen vorstellte.
Sie gelangten in ein hell erleuchtetes Zimmer mit niedriger Decke, hellem Holz, beigefarbenen Vorhängen und hässlichem grauem Linoleum. Tische und ein Großteil der Regale waren von Büchern befreit worden, um Platz für das provisorische Krisenzentrum des Teams von Dr. Franziska Bodde zu machen. Überall standen Laptops und Stellwände herum, waren unterschiedliche
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