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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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gefütterter Lederjacke.
    »Und?«, fragte Kalkbrenner Sera Muth, Kriminalkommissarin und neue Kollegin im Morddezernat. »Was hast du für uns?«

9
    Für Tabori blieb das Gebrüll des Bäckers ein Rätsel, umso besser begriff er jedoch die Geste, mit welcher der Mann auf die Tür wies.
    »Ey, was war denn da los?«, fragte Florim, als sie wieder auf dem Bürgersteig standen.
    »Er hat uns rausgeschmissen.«
    »Und was hast du zu ihm gesagt?«
    »Dass ich zwei
Schrippen
will. Aber er wollte mir die zwei großen Brote geben, die wir uns nicht leisten können. Und das habe ich versucht, ihm verständlich zu machen.«
    »Deshalb hat er dich rausgeschmissen?«
    »Sieh mal!« Taboris Blick war weitergewandert und hatte neben einem Grillstand eine Tafel mit der Aufschrift »20 Cent« entdeckt. Diesmal wollte er keine Zweifel an seiner Bestellung aufkommen lassen. Sein Zeigefinger schwebte knapp über einem der dampfenden Würstchen auf dem Bratrost. »Bitte.«
    Der Grillmeister legte die Wurst neben einer Scheibe Weißbrot auf eine Pappschale.
    »Danke.« Tabori ließ die Münze in die Handfläche des Händlers fallen.
    Florim griff bereits hungrig nach der Wurst, doch der Mann zog sie ihm vor der Nase weg und schnippte das Geldstück zurück in Taboris Hand. Aufgebracht zeigten die beiden Jungs auf die Tafel.
    Der Händler lachte und tippte mit der Grillzange auf einen Behälter mit roter Sauce. »20 Cent für Ketchup
.
«
    »Du salçice« 6 , bettelte Tabori.
    »Du salçice«, wiederholte nun auch Florim verzweifelt.
    Doch der Grillmann beförderte die Wurst emotionslos wieder auf den Rost. Fett tropfte auf die Kohle. Es zischte und spritzte.
    »Një bukë.« 7 Dafür reichte das Geld doch ganz sicher. Tabori zeigte auf die Weißbrotscheibe.
    Die Grillzange schlug auf seine Hand. »Finger weg!«
    Tabori machte einen erschrockenen Satz nach hinten und landete genau vor den Füßen eines Geschäftsmannes in schwarzem Mantel und mit Aktentasche. Der Mann stolperte und landete der Länge nach auf dem Bürgersteig. Wütend begann er zu schimpfen.
    »Lass uns schnell verschwinden!«, rief Florim.
    »Aber wohin?«
    »Dorthin, wo wir Geld verdienen.«
    »Und wo soll das sein?«
    »Am Bahnhof!«, antwortete Florim.
    »Weißt du denn, wie wir dahin zurückkommen?«
    »Ey, du hast doch aufgepasst, oder?«
    »Nein, hab ich nicht.« Gebannt von Lichtern und Luxus hatten sie sich durch die Stadt treiben lassen, ohne auf ihren Weg zu achten. »Wie viele Kreuzungen haben wir überquert? In wie viele Straßen sind wir abgebogen?«
    »Weiß nicht.«
    Tabori wurde kalt. Er begann zu zittern. »Und jetzt?«
    »Fragen wir die Leute.« Florim wandte sich an ein vorbeischlenderndes Paar: »Ku është stacioni i trenit?« 8
    Aber die beiden beachteten ihn nicht. Auch bei einer jungen Frau, deren Stiefelabsätze über den Asphalt klapperten, erkundigte er sich: »Stacioni i trenit?« 9
    Doch als Antwort erntete er nur einen grimmigen Blick. »Nun sag schon: Was bedeutet
stacioni i trenit
auf Deutsch?«, wollte er von Tabori wissen.
    »Weiß ich doch nicht.«
    »Hat dein Opa dir das nicht gesagt?«
    »Nein.«
    »Blöder Opa!« Ein Mann, der mit einem breiten Schal Mund und Nase vor der Kälte schützte, näherte sich ihnen. »Stacioni i trenit?«
    »Nein danke.«
    Taboris Magen verkrampfte sich. Es war nicht mehr nur der Hunger, der den Jungen sich unwohl fühlen ließ. Mittlerweile verspürte er auch keinen Unterschied mehr zwischen einer Winternacht in Gracen und der in Berlin. Am dunklen Himmel über der Stadt waren keinerlei Wolken auszumachen, die Sterne blinzelten in ihrer ganzen Pracht herab. In der Nacht würde es beißenden Frost geben, so viel war sicher. Tabori schlang die Arme um seinen Leib, um sich zu wärmen, als jemand hinter ihm fragte: »Schto s wami?«
    6   Eine Wurst.
    7   Ein Brot.
    8   Wo liegt der Bahnhof?
    9   Bahnhof?

10
    Sera Muth, die neue Kollegin des Kriminalkommissariats Berlin-Mitte, führte Kalkbrenner und Berger zum Zimmer 245. »Entdeckt wurde der Tote vom Zimmerservice«, berichtete sie. »Die Angestellte befand sich auf dem Weg zu einem anderen Raum, als sie die offene Tür bemerkte. Zuerst hat sie sich nichts dabei gedacht, aber als sie fünf Minuten später erneut vorbeikam und die Tür immer noch offen stand, klopfte sie doch an. Dabei entdeckte sie Blut am Türrahmen und fand schlussendlich auch die Leiche. Der Mann wurde durch drei Schüsse aus direkter Nähe getötet.«
    In den mittlerweile zwei

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