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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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und die Kinder sich damals davongemacht hatten. Zum einen war da sein Job gewesen, der nur schwerlich mit dem Familienleben in Einklang zu bringen war. Obendrein der Stress. Und schließlich, nein, er wollte ehrlich sein, vor allem der Alkohol.
Der verdammte Suff.
Aber das war längst wieder vorbei. Spätestens seit dem Herzinfarkt, den er vor zwei Jahren erlitten hatte, rührte er keinen Tropfen mehr an. Nicht zuletzt für Leonie und Till hatte er in einer Reha-Klinik den endgültigen Absprung geschafft.
    »Karin, du weißt doch ganz genau, wie es um mich steht«, sagte er.
    »Nein, das weiß ich eben nicht. Na ja, bis auf die Tatsache, dass du anscheinend wieder bis spät in den Abend in Kneipen abhängst.«
    »Ich sagte dir doch, dass ich arbeite. Ich reiße mir für euch den Arsch auf, für den Unterhalt der Kinder, die Kreditraten für unser Haus in Pankow und …«
    »Dann verkauf das Haus!«
    »Wie oft soll ich es dir denn noch erklären?« Die Immobiliengesellschaft, bei der das Haus in der Neubausiedlung in Pankow kurz nach der Wende zu erwerben gewesen war, hatte beim Bau Schindluder getrieben. Doch als die Mängel ruchbar wurden, war die Firma längst in die Insolvenz und der Geschäftsführer mit vollen Taschen ins Ausland verschwunden. Dass die Sackowitz nicht die Einzigen gewesen waren, die auf die Betrüger hereingefallen waren, hatte sich nur als schwacher Trost erwiesen. »Das Gebäude hat ein undichtes Dach und feuchtes Mauerwerk. Es ist unbewohnbar, Schlussfolgerung: Niemand will es kaufen.«
    »Wolfgang sagt, du sollst den Schaden beheben lassen.«
    »Dein Bruder hat gut reden.«
Der Kerl hat keine Ahnung!
»Und wovon soll ich das finanzieren? Mein Verdienst geht für die Kreditraten und …« …
den Unterhalt drauf.
Er verkniff sich die Worte. Nicht nur, weil er damit weiteren Zorn provoziert hätte, er hatte auch die Gestalt bemerkt, die sich auf die Tür des
Café Verdun
zubewegte.
Das ist doch …?
»Karin, ich muss auflegen. Lass uns morgen weiterreden, ja?«
    »Es gibt nichts mehr zu bereden, und außerdem hab ich morgen keine Zeit.«
    »Kommst du nicht zu Tills Reitturnier?«
    »Diese Woche habe ich tagsüber Schicht.« Seit der Scheidung arbeitete Karin an der Rezeption des
Park Inn
am Alexanderplatz. »Und am Wochenende auch noch am Abend. Deshalb wäre es mir auch lieb, wenn du am Samstag Leonie übernehmen könntest.«
    Er behielt den
Eingang des
Verdun
im Blick. »Klar, kein Problem. Ich kümmere mich um das Küken. Kann ich bleiben, wenn’s später wird?«
    Widerstrebend willigte Karin ein. In seltenen Fällen, wenn Sackowitz Leonies Babysitter spielte, weil Karin länger arbeiten musste, schlief er im Anschluss auf der Couch. »Danke. Und richte Till aus, dass ich morgen in der Reithalle vorbeischaue.«
    »Sag mal, hast du ihm tatsächlich versprochen, einen …«
    »Karin, entschuldige, aber ich muss jetzt wirklich auflegen.«
    Im Inneren des Tanzlokals versuchte sich die Kapelle gerade an Bernhard Brink.
Ob das mit uns immer gut geht
,
kann ich dir nicht garantieren.
Die Damen und Herren hatten dank Prosecco, Sekt und Wein ihre reservierte Haltung abgelegt. Mittlerweile schwoften auch die ersten Paare über das Parkett, während andere munter turtelnd über die Tischtelefone zueinanderfanden.
Doch ich garantiere dir
,
ich werd alles tun dafür. Dass du immer auch Vertrauen hast zu mir.
    Sackowitz spähte zu der Frau, die sich an Tisch 141 niedergelassen hatte.
Tatsächlich
,
sie ist es. An ihrem Stammplatz.
Wie viele Abende hatte er schon umsonst auf ihr Auftauchen gewartet? Er hatte nicht mitgezählt, aber es waren auf jeden Fall genug gewesen, um zwischenzeitlich von einem anderen ausgehungerten Weibsbild ins Visier genommen zu werden. Renates Worte klangen ihm noch im Ohr:
Meist kommt das Glück
,
wenn man am allerwenigsten damit rechnet.
    Er machte einen Bogen um die Tanzfläche. Aus der Nähe schaute die Frau um ein Vielfaches älter und verhärmter aus als aus der Distanz. Tiefe dunkle Ringe gruben sich unter ihren Augen in ihre Haut. Falten durchzogen ihr Gesicht, graue Strähnen das Haar. Ihre Kleidung war – im Gegensatz zu der von Renate – betont schlicht: Sie trug eine Biedermeierkombination, bestehend aus schwarzer Hose und grauer Bluse.
    »Ja, bitte?«, sprach sie ihn an, und ihm wurde bewusst, dass er bereits eine ganze Weile vor ihrem Tisch stand, ohne ein Wort gesagt zu haben.
    Er straffte seinen Rücken. »Guten Abend.«
    »Guten Abend?«, erwiderte sie

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