Trieb
vorsichtiger sein«, unterbrach ihn Georg.
»Jetzt reg dich nicht so auf. Die Probleme werden sich schon klären.«
»Ach ja? Weißt du vielleicht etwas, wovon ich noch keine Ahnung habe?«
Tabori konnte der Unterhaltung nicht folgen, aber das war ihm auch egal. Stattdessen behielt er die drei Jungen am Verkaufstresen im Auge, deren Gesichter er immer noch nicht erkennen konnte. Welcher von ihnen war Ryon? Gespannt starrte er zu ihnen hinüber, als einer nach dem anderen sich die Kapuze vom Kopf streifte. Aber keiner der drei sah seinem Cousin auch nur im Entferntesten ähnlich.
Wo ist Ryon?
»Das ist er also?«, fragte Georg.
»Ich bin Tabori«, platzte es aus ihm heraus.
»Ach, du sprichst Deutsch?«
»Hab ich dir doch gesagt«, antwortete Ludwig schnell.
Georg guckte sich in alle Richtungen um. Tabori konnte spüren, dass der Mann nervös war. Aber warum? Für einen Augenblick regte sich Angst in ihm, aber dann rief er sich zur Ordnung. Georg wirkte nicht gerade einschüchternd, eher war das Gegenteil der Fall. Er war kleiner als Ludwig und hatte weniger Haare, dafür aber einen Bierbauch. »Hallo, Tabori«, sagte er nun und streckte ihm die Hand entgegen. »Es freut mich, dich kennenzulernen.«
»Freu mich auch.« Die Neugier brachte Tabori schier zum Bersten. »Wo ist Ryon?«
»Äh, Ryon?«
»Ich habe dir doch von Taboris Cousin erzählt«, sagte Ludwig erklärend und schaute seinen Freund aufmerksam an.
Georg griff nach dem leeren Kakaobecher und drehte ihn zwischen den Fingern umher. Als er sich wieder in dem Restaurant umschaute, erhielt Taboris Hoffnung einen Dämpfer.
Aber dann meinte Georg: »Natürlich, Ryon! Jetzt weiß ich wieder, wen du meinst.«
»Und? Du ihn gefunden?«, drängelte Tabori.
»Nein, leider noch nicht.«
»Aber bald?«
»Ja, ja, auf jeden Fall. Ich kenne jemanden, der Ryon gesehen hat. Er will sich bei mir melden.«
»Wann?«
Georg sah fragend zu Ludwig. »Äh, morgen?«
»Ja, morgen«, bestätigte Ludwig.
Das war nicht die Antwort, auf die Tabori gehofft hatte. »Du suchen Ryon?«
»Auf jeden Fall«, versprach Georg. »Aber alles braucht halt auch seine Zeit. Berlin ist schließlich kein kleines Dorf.«
»Da wirst du dich also noch etwas gedulden müssen«, sagte Ludwig, während seine Finger durch Taboris Haar strichen. »Außerdem – umso besser für mich. So komme ich heute noch einmal in den Genuss, dich Gitarre spielen zu hören.« Er lächelte.
Aber das war nur ein schwacher Trost für Tabori.
113
Welcher der beiden Anrufe beunruhigte Kalkbrenner mehr? Die Nachricht aus der Klinik oder die vom Dezernatsleiter? Immerhin hatte der Arzt die potenzielle Verletzung eingeschränkt:
Vielleicht nichts Schlimmes.
Dr. Salm dagegen hatte geklungen, als hielte er ein ganzes Universum voller Hiobsbotschaften für Kalkbrenner persönlich bereit.
Aber vielleicht hatte er die aufgeregte Stimme auch nur falsch interpretiert, versuchte sich der Kommissar zu beruhigen. Das wäre schließlich nicht verwunderlich gewesen.
Nicht nach der Mitteilung aus dem Krankenhaus.
Muth kutschierte den Wagen auf die Potsdamer Straße. Plötzlich scherte ein Streufahrzeug vor ihnen aus. Das Salz, das aus den Düsen wirbelte, flog gegen die Windschutzscheibe. Kalkbrenner rief seine Tochter an. »Jessy, tut mir leid, wenn ich dich störe, aber …«
»Ist nicht weiter schlimm, Paps. Ich wollte dich auch schon anrufen.«
»Wieso? Wegen Oma?«
Jessys Stimme nahm einen alarmierten Ton an. »Warum, was ist mit ihr?«
»Sie ist im Krankenhaus gestürzt.«
»Ist sie schwer verletzt?«
»Dazu konnte mir der Arzt noch nichts sagen.«
»Siehst du, wusste ich’s doch. Typisch Ärzte!«
An der Kreuzung zur Kurfürstenstraße bremste Muth. Die Wagenräder drehten durch, und obwohl sofort das ABS einsetzte, rutschte der Passat ein paar Meter über den spiegelglatten Asphalt. Das Heck des vorausfahrenden Pkws näherte sich ihnen unaufhaltsam – erst wenige Zentimeter vor der Stoßstange kam das Fahrzeug der Beamten zum Stehen. »Ich möchte dich um etwas bitten, Jessy: Könntest du zu Oma ins Krankenhaus fahren? Ich habe gerade einen weiteren Anruf erhalten, und es ist … Es geht um den kleinen Jungen.«
»Natürlich, Paps, kein Problem.«
»Ich komme dann nach, sobald ich fertig bin, okay?«
»Keine Sorge. Ich mache mich gleich mit Leif auf den Weg.«
»Danke.« Die Ampel sprang auf Grün, Muth gab wieder Gas, achtete aber nun darauf, dass die Tacho-Nadel die Dreißig nicht
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