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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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Wir waren sogar verabredet. Es ist wichtig. Mehr als wichtig. Wo steckt er? Ruf mich …«, er unterbrach seinen wütenden Wortschwall, als er realisierte, dass Heiko sich bei ihm nicht melden konnte, wenn er das Handy ausgeschaltet hatte. »Ach was, vergiss es einfach, sieh lieber zu, dass du deinen Kumpel auftreibst. Er soll nach Hause kommen. Es ist wichtig!«
    In der
Morena-
Bar suchte Sackowitz sich einen Fensterplatz mit Blick auf die Tür von Christians Wohnhaus und bestellte ein italienisches Frühstück. Schon wieder war er dazu verdammt zu warten.

110
    Weil bis zum Treffen mit Georg noch etwas Zeit war, fuhr Ludwig mit Tabori auf den Fernsehturm am Alexanderplatz. Dichte Wolken hingen am Himmel, sodass sie leider nur in eine trübe Wintersuppe blicken konnten. Ludwig spendierte einen heißen Kakao in dem sich über Berlin drehenden Restaurant, bevor der Fahrstuhl sie wieder zurück auf die Erde brachte, wo starker Eisregen die Straßen und Gehwege in tückische Rutschbahnen verwandelte.
    Zum Glück war verkaufsoffener Sonntag. Gemeinsam streiften sie durch das
Alexa
, den gigantischen Einkaufstempel. In einem der Schaufenster fand Tabori das Kapuzenshirt mit dem leuchtenden
Berlin-
Aufdruck wieder und blieb stehen.
    »Gefällt es dir?«, fragte Ludwig.
    »Ja, sehr. Aber …«
    »Willst du es haben?« Ohne seine Antwort abzuwarten, schleifte er Tabori zu den Umkleidekabinen.
    Der Junge bestaunte sich im Spiegel. Mit dem Kapuzenshirt schaute er anders aus als sonst – viel cooler und flippiger. Er drehte sich zu Ludwig um, der zu Taboris Überraschung das gleiche Oberteil angezogen hatte. »Und? Gehen wir jetzt im Partnerlook?«
    »Partnerlook?«
    »Ludwig und Tabori. Das gleiche Shirt. Wie zwei gute Freunde.«
    »Ja«, stimmte Tabori freudestrahlend zu. »Wie gute Freunde.«
    »Also, kaufen wir sie uns!«
    Der Rap-Song über ihren Köpfen verklang. Für wenige Sekunden drangen nur die Gespräche der Leute um sie herum zu ihnen, dann kündigte ein stampfender Bass das nächste Lied an. Tabori war kaum zu verstehen, als er ernst sagte: »Das sehr teuer.«
    »Na und? Wenn es uns doch gefällt.«
    »Ich will aber nicht.«
    »Ist es wegen Aidan?«
    »Nein, wieso Aidan?«
    »Was hat Aidan zu dir gesagt?«
    »Er nichts gesagt.«
    »Außer Homo, oder? Und du weißt wirklich nicht, was es bedeutet?« Auch Ludwigs Stimme klang auf einmal sehr ernst, seine Heiterkeit war verflogen. »Du kannst es mir ruhig sagen. Ich bin dir nicht böse.«
    Aber Tabori hatte keinen blassen Schimmer, worauf er hinauswollte. Ludwig streckte den Arm aus und umfasste seine Finger. Seine Hand war groß und auch viel stärker als seine eigene, die darin fast verschwand. »Du würdest mich nicht anlügen, oder?«
    Der Tonfall machte Tabori Angst. Zum Glück erlöste ihn die Verkäuferin von der unangenehmen Situation. »Gefällt Ihrem Sohn das Cap-Shirt nicht?«
    Schnell ließ Ludwig Taboris Hand los. »Doch, sehr sogar.«
    »Und gefällt es Ihnen auch?«
    »Auf jeden Fall. Wir nehmen beide.«
    Ludwig bezahlte, und Tabori durfte die Tüte tragen, während sie durch den Regen zu
McDonald’s
hasteten
.
Bei Cola, Burger und Pommes lachte Ludwig schon wieder: »Hast du das gehört? Die Verkäuferin dachte, du wärst mein Sohn.«
    Der neuerliche Stimmungswechsel verunsicherte Tabori. »Was war mit dir?«
    »Es ist nichts. Aber es tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe«, sagte Ludwig. »Das war nicht meine Absicht. Ich will nur nett zu dir sein.« Seine Finger umschlossen erneut Taboris Hand, doch diesmal war die Berührung sanft. »Du erinnerst mich an meinen Sohn. Nein, das stimmt nicht: Du bist in den wenigen Tagen
wie ein Sohn für mich geworden. Und manchmal erschreckt mich das.«
    Tabori verstand teilweise. Ihm erging es nicht viel anders. Ludwig war für ihn wie der Vater, den er nie besessen hatte. Aber warum sollte ihn das erschrecken? Eigentlich war es doch ein schönes Gefühl. Er wollte das gerade Ludwig sagen, als dieser zur Straße zeigte. »Sieh mal!«
    Trotz des Regens herrschte auf dem Alex ein anhaltendes Gedränge aus Passanten, Touristen, Wursthändlern und Blumenverkäufern. In der Mitte des Platzes waren Holzbuden aufgebaut, an denen es Schmuck, Düfte und gebrannte Mandeln zu kaufen gab. Tabori konnte nicht erkennen, auf wen oder was Ludwig deutete.
    »Da ist Georg. Ich habe dir schon von ihm erzählt.«
    Taboris Herzschlag beschleunigte sich.
    Ludwig winkte einem Mann zu, der trotz des Wetters eine Sonnenbrille

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