Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
Vom Netzwerk:
über stur die Haustür im Auge behalten hatte.
    »Kann ich mal das Telefon benutzen?«, fragte er die Kellnerin.
    »Hast du kein Handy?«
    »Akku ist alle.«
    »Das kostet aber.«
    »Kein Problem«, versicherte er.
    Sackowitz wählte auf dem tragbaren Gerät Christians Nummer, bekam aber wieder nur die Mailbox an die Strippe. Er ersparte sich eine Nachricht und rief stattdessen Heiko an. Dort erreichte er nur den Anrufbeantworter.
    »Dein Kumpel ist immer noch nicht aufgetaucht.« Sackowitz blätterte suchend in der Speisekarte. »Ruf mich doch mal bitte zurück.« Er diktierte die Nummer der
Morena-
Bar. »Es ist wichtig, verdammt noch mal.«
    Nach einer weiteren halben Stunde, in der sich nichts getan hatte, hielt Sackowitz es nicht mehr aus. Erneut bat er um das Telefon, und diesmal hatte er Glück: Heiko nahm das Gespräch entgegen.
    »Mein Gott, wo steckst du denn?«, beschwerte sich Sackowitz.
    »Dir auch einen schönen Sonntag, Hardy. Und wo ich stecke? Ich war im Kino.«
    »Wer geht denn mittags in einen Film?«
    »Ob du’s glaubst oder nicht, Besucher von Kindervorstellungen tun das des Öfteren. Ich war mit den Kleinen in
Der Mondbär
. Ein putziger Film, kann ich dir nur empfehlen. Ist sicherlich auch was für deine …«
    »Heiko, danke für die Empfehlung, aber im Augenblick habe ich wirklich andere Sorgen. Und zwar geht es nicht um mich, sondern um deinen Kumpel Christian.«
    »Was ist mit ihm?«
    »Wir waren für heute Morgen verabredet. Er wollte bis dahin das Passwort geknackt haben. Und jetzt ist er weg.«
    »Das glaube ich nicht. Der hockt bestimmt in seiner Bude. Ich hab dir doch gesagt, dass er sich, außer zum Essen, kaum vor die Tür wagt. Du musst vorher nur bei ihm anrufen.«
    »Das habe ich bereits getan! Mehrmals.«
    »Hm, dann ist er wohl tatsächlich nicht da.«
    »Na, danke für diesen sensationellen Hinweis.«
    »Hardy«, murrte Heiko. »Jetzt mach dich mal locker.«
    »Nein, das mach ich nicht. Die Sache ist nämlich nicht mehr witzig. Inzwischen ist es weit nach fünfzehn Uhr, der Tag schon fast wieder rum, und ich habe noch immer nichts in der Hand.«
    »Hast du es mal in der
Morena
probiert? Dort isst er meistens sein Frühstück.«
    »Hallo? Es ist drei Uhr nachmittags!«, grunzte Sackowitz ins Telefon. »Und was glaubst du, von wo ich dich anrufe?«
    »Aus der
Morena

    Schnelldenker!
»Kannst du nicht versuchen, Christian zu erreichen?«
    »Wenn du ihn nicht auf dem Handy erreichst, dann werde ich wohl auch nicht mehr Glück haben.«
    »Hat er denn kein Festnetz?«
    »Nein, nur sein iPhone. Und wenn er da nicht rangeht, dann schläft er entweder, oder er hat sein Handy irgendwo liegen gelassen. Oder …«
    »Ich will’s gar nicht hören.« Der bloße Gedanke genügte Sackowitz schon.
Manchmal hört und sieht man tagelang nichts von ihm.
»Das ist nicht wirklich dein Ernst, oder?«
    »Nein, aber eigentlich ist er ein zuverlässiger Typ. Wenn er was mit dir vereinbart, dann hält er sich auch daran.« Heiko räusperte sich. »Meistens jedenfalls.«
    »Na toll.«
    »Und gib mir nicht die Schuld. Ich habe dich ja vorgewarnt, dass Christian ein wenig verschroben ist.«
    »Aber nicht, dass er einfach so verschwindet. … Und was mache ich jetzt?«
    »Warten. Bis er nach Hause kommt!«
    Sackowitz legte ohne Verabschiedung auf. Nein, warten würde er ganz bestimmt nicht. Das hatte er schon lange genug getan. Er bezahlte sein Essen und die vertelefonierten Gesprächseinheiten und trat hinaus auf die Wiener Straße, die in die Oranienstraße überging. Der Himmel war eine einzige graue Masse. Sackowitz hasste den Winter. Immer wurde es früh finster, und die Tage gingen so schnell vorbei. Während er unschlüssig vor der Haustür verharrte, prasselte der Schneeregen auf ihn ein. Unter normalen Umständen gab es keinen Grund, über das Verschwinden von Christian besorgt zu sein, aber unter den aktuellen eben doch.
    »Darf ich mal?«, bat eine junge Frau.
    Sackowitz ging zur Seite, und sie schloss die Haustür auf. Kurzentschlossen folgte er ihr durch den niedrigen Durchgang in den Innenhof, wo er hinauf zum Fenster in der zweiten Etage schaute. Eisige Flocken trafen sein Gesicht wie spitze Nadeln, aber erkennen konnte er nichts. Was hatte er denn erwartet? Dass Licht brannte? Dass Christian unbemerkt heimgekehrt war?
Mach dich nicht lächerlich.
Am Fenster der
Morena-
Bar sitzend hatte er den Hauseingang keine Minute aus den Augen gelassen. Selbst wenn eine Strumpfbandnatter das

Weitere Kostenlose Bücher