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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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die Jackentasche, drückte das Gespräch weg, ohne auf die Nummer des Anrufers zu gucken.
    Die Jungs wechselten zwei, drei Worte, eines davon war »Polizei«, und im nächsten Moment preschten sie auch schon in unterschiedliche Richtungen davon. Aus einem Reflex heraus schoss Kalkbrenners Hand nach vorne und bekam den kleineren der beiden Burschen gerade noch zu fassen, der zu schreien begann. Im Nu waren auch die anderen Jugendlichen alarmiert. Wie aufgescheuchte Hühner türmten sie zum Ausgang hinaus.
    Auch der Junge, dessen Kragen Kalkbrenner noch immer festhielt, wand sich aus seiner Jacke und sprintete hinter seinen Kollegen her. Kalkbrenner folgte ihm.
    Draußen regnete es. Auf dem Bürgersteig gefror das Wasser zu einer gefährlichen Eisfläche. Der Junge glitt aus, wurde aber von einem Mann aufgefangen. Sofort suchte der Jugendliche Schutz hinten dessen Beinen. Der Mann lächelte Kalkbrenner aus einem rotblonden Vollbart an. Hinter einer Nickelbrille blickten seine Augen beinahe amüsiert. »Das können Sie sich sparen.«
    »Was?«
    »Ich habe Sie gerade beobachtet.«
    »Aha, interessant. Und wer sind Sie?«
    »Werner Wolfsbach. Sozialarbeiter bei Metrokids,
einem Berliner Projekt für Jungs, die unterwegs sind.«
    »Die unterwegs sind?«
    »Na ja, Streuner. Ausreißer.«
    Also Jungs wie Manuel.
Kalkbrenner reichte dem Kind hinter Wolfsbach seine Jacke. Der Junge schnappte wie ein hungriger Bär danach und suchte das Weite. »Kennen Sie ihn?«
    »Kennen ist übertrieben, aber er war einige Male in unserer Einrichtung. Wir haben einen anonymen Treffpunkt für die Kids.«
    »Woher kommen sie?«
    »Von überall. Aber vornehmlich aus Osteuropa, dem Balkan.«
    »Und sie suchen im
Saturn
Unterschlupf, wenn es draußen kalt ist«, stellte Kalkbrenner fest.
    »Genau, hier im
Saturn
,
in jedem
Media Markt
,
in Einkaufszentren allgemein, es gibt viele Möglichkeiten in Berlin.«
    »Wo Sie mit Ihrem Verein doch Sozialarbeit leisten«, Kalkbrenner zog das Foto von Manuel aus seiner Tasche, »ist Ihnen dieser Junge auch schon begegnet?«
    »Das ist doch der, den sie ermordet haben. Ich habe erst heute Morgen davon in der Zeitung gelesen.« Wolfsbach nahm die Brille ab und wischte die Regentropfen ab. »War er auch hier im
Saturn

    Kalkbrenners Handy schrillte erneut, und wieder drückte der Kommissar den Anrufer weg. Stattdessen führte er den Sozialarbeiter zu den Spielkonsolen im Elektromarkt.
    »Sieh mal«, sagte Muth, als Kalkbrenner wieder neben ihr stand.
    Auf dem Monitor flackerte der Highscore.
Platz 1: Manuel.
    »Verstehe.« Wolfsbach setzte seine – jetzt beschlagene – Nickelbrille auf. »Sie gehen davon aus, dass die Kids hier Manuel gesehen haben. Aber wie gesagt: Selbst wenn Ihre Theorie richtig ist, können Sie sich den Versuch sparen. Die Kinder werden nicht mit Ihnen reden. Dort, wo die meisten von ihnen herkommen, kann man der Polizei nicht trauen.«
    »Aber Ihnen vertrauen sie?« Kalkbrenner sah den Sozialarbeiter bittend an.
    »Sie meinen, ich soll die Kids für Sie nach Manuel fragen?«
    »Das wäre hilfreich.«
    »Na gut, ich kann es versuchen.« Der Sozialarbeiter steckte Manuels Bild und Kalkbrenners Visitenkarte ein. »Aber machen Sie sich nicht allzu große Hoffnungen.«
    Er verabschiedete sich und floh fast ebenso schnell aus dem Elektromarkt wie seine Schützlinge.
    Endlich hatte Kalkbrenner Zeit, sich mit seinem Motorola zu beschäftigen. Beide Anrufer hatten Nachrichten auf seiner Mailbox hinterlassen. Die erste stammte von einem Mitarbeiter der Charité: »Ihre Mutter ist gestürzt. Wir können noch nicht sagen, wie schwer die Verletzungen sind. Vielleicht nichts Schlimmes. Trotzdem möchten wir Sie bitten, zu uns …« Kalkbrenner schluckte.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Muth.
    Nichts ist in Ordnung.
Er nickte stumm, dann hörte er die nächste Nachricht ab. Dr. Salms gestresster Tonfall ließ noch mehr Alarmglocken in ihm schrillen. »Herr Kalkbrenner, kommen Sie sofort aufs Präsidium. Wir müssen miteinander reden.«

112
    Tabori wagte kaum zu atmen. Georg, Ludwigs Freund, schlängelte sich an den Restauranttischen vorbei auf sie zu. Die drei Jungen, die mit ihm den Raum
betreten hatten, bauten sich vor der Theke auf.
    »Ach, hier seid ihr.« Georg fegte sich den Schnee von den Schultern seines Mantels. »Hältst du das, äh, für eine gute Idee?«
    »Warum denn nicht?« Ludwig zuckte mit den Achseln. »Außerdem wolltest du doch …«
    »Aber gerade jetzt sollten wir

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