Trieb
Schulze auf etwas gestoßen zu sein«, sinnierte Kalkbrenner.
»Ich will Ihnen mal sagen, wie sich für mich die Sache darstellt.« Dr. Salms Gesichtsfarbe wechselte von leichtem Sonnenstudiobraun zu zornigem Rot. »Er hat nicht recherchiert, sondern steckt knietief in dieser Sauerei mit drin. Und jetzt bekommt er Schiss und will sich selber in letzter Sekunde retten. So sieht es nämlich aus.«
Kalkbrenner hatte bereits einige Male mit Sackowitz zu tun gehabt. Sie waren dabei keine Freunde geworden, so weit ging die Liebe nicht, aber nachdem sie sich in den ersten Jahre ihrer Bekanntschaft fast ausnahmslos beharkt hatten, war ihr Verhältnis zuletzt immerhin von gegenseitigem Respekt geprägt gewesen. Sackowitz war ein Reporter, dessen Job es war, ständig einer auflagenträchtigen Story hinterherzuhetzen, trotzdem, so war Kalkbrenners Eindruck gewesen, hatte er das Herz auf dem rechten Fleck. »Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, dass er so dumm ist und …«
»Papperlapapp«, herrschte ihn Dr. Salm an. »Immerhin ist er dumm genug, sich vor uns zu verstecken. Und das allein macht ihn schon verdächtig.« Der Dezernatsleiter baute sich vor Sackowitz’ Rechner auf. »Und jetzt erklären Sie mir bitte, was es mit diesen Fotos und Videos auf sich hat.«
Kalkbrenner berichtete in knappen Worten von den erschütternden Entdeckungen, die gemacht worden waren. »Will sich jemand ein eigenes Bild davon machen?«
Einhelliges Kopfschütteln war die Antwort.
Kalkbrenner wandte sich den Kollegen aus Grünau zu. »Und Ihnen ist bei den Ermittlungen zu Radomski und Fielmeister kein Hinweis auf pädophile Umtriebigkeit untergekommen?«
»Wie gesagt, wir haben seit Samstag das komplette Umfeld Fielmeisters und Radomskis – und auch das von Schulze – auf den Kopf gestellt, beruflich wie privat«, versicherte Hertz, »aber da ist nichts. Wirklich. Fielmeister war oft auf Geschäftsreise unterwegs, übernachtete in Hotels, solche Sachen eben. Aber nirgendwo gab es irgendwelche Auffälligkeiten. Das Telefonat am Morgen vor seinem Tod ist bisher die einzige Verbindung zu Radomski, der wiederum bis zum Tod seines Chefs Jan-Sönken Schulze regelmäßig zwischen Trebbin, wo er mit seinem Lebensgefährten lebte, und seiner Wohnung in Berlin pendelte, wo er die Woche wegen seiner Arbeit verbrachte …«
»Radomski hatte also einen Zweitwohnsitz?«, warf Dr. Salm ein.
»Als persönlicher Referent eines parlamentarischen Staatssekretärs hat er sicherlich nicht schlecht verdient«, bemerkte Muth.
Der Dezernatsleiter strafte sie mit einem säuerlichen Blick.
»Möglicherweise sind wir von Anfang an einem falschen Verdacht nachgegangen«, sagte Hertz. »Schulze war der Chef von Radomski, Radomski telefonierte mit Fielmeister am Tag vor dessen Ermordung, Fielmeister wiederum war der Stiefbruder von Peglar, der sich mit der Fleischmafia eingelassen hatte und sich auf der Flucht befand.« Angesichts der Anstrengung, die es ihn gekostet hatte, die Zusammenhänge zu rekapitulieren, wischte sich Hertz schnell über die Glatze. »Alles passte perfekt zueinander. Es erschien ganz klar, dass ein großer Gammelfleischskandal das Motiv für die Morde war, sodass überhaupt kein Grund, ja nicht einmal der Hauch eines Indizes vorlag, in eine andere Richtung zu ermitteln.«
»Ihnen macht auch keiner einen Vorwurf«, beruhigte Kalkbrenner.
»Natürlich nicht«, grunzte Dr. Salm zustimmend, aber es klang, als machte er den Kollegen aus Grünau genau das: einen Vorwurf. »Wir müssen also ganz von vorne anfangen.«
Wenigstens in diesem Punkt konnte ihm Kalkbrenner zustimmen. »Sera, was hat die Auswertung der Videoüberwachung aus den Steglitzer U- und S-Bahnhöfen erbracht?«
»Nun, wir haben Manuel tatsächlich auf einigen der Videos ausfindig machen können. Am Donnerstagmittag gegen vierzehn Uhr ist er am Bahnhof Steglitzer Rathaus ausgestiegen und hat anschließend den Bahnhof verlassen. Wohin er von da aus gegangen ist, lässt sich anhand der Aufzeichnungen nicht erkennen, aber dank der Zeugin im
Saturn
wissen wir, dass er nur wenig später den Elektronikmarkt betreten haben muss, wo er an den Konsolen spielte. Hier bricht seine Spur ab – irgendwann wird er den Elektronikmarkt wieder verlassen haben und muss seinem späteren Mörder in die Arme gelaufen sein.«
»Und niemand hat etwas gesehen?«, wollte Dr. Salm wissen.
»Nein, leider nicht«, bedauerte Muth. »Die Vernehmung des Personals, der Kunden sowie der
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