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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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kalter Hauch aus dem Treppenhaus fegte über Tabori hinweg und ließ ihn schaudern. »Ich meine es nur gut mir dir, Tabori, das weißt du doch, oder?«
    Tabori nickte. Trotzdem fühlte er sich irgendwie abgeschoben.
Das Rumoren in seinem Bauch wurde wieder heftiger, das ungute Gefühl stärker. »Und was ist mit Ryon?«
    »Genau deshalb bist du ja bei Georg. Frag ihn einfach. Bestimmt hast du Glück, und er hat ihn schon längst gefunden.«

134
    Das Klingelschild war unleserlich,
die Eisentür mit Stickern beklebt.
Ein anonymer Treffpunkt.
Während sie darauf warteten, dass jemand auf ihr Läuten reagierte, studierte Kalkbrenner die Aufkleber. »Mir ist da mal was Blödes passiert!«
warnte vor sexuellen Übergriffen. »Steht jedem … Mach’s mit!«
empfahl den Kondomgebrauch. »Wenn es juckt!« informierte über Geschlechtskrankheiten.
    Ein weiterer Aufkleber gab Auskunft über die Öffnungszeiten der Metrokids: montags von 17 bis 22 Uhr, dienstags bis freitags von 13 bis 17 Uhr. Heute war Montag, und die Uhr zeigte neunzehn nach vier.
    Zurück im Auto, ließ Muth die Standheizung laufen. Schweigend beobachteten sie das Gebäude. Wie alle anderen in der Seitenstraße zum Kottbusser Damm war es verwittert und mit Graffiti besprüht worden. Im Pflaster des Bürgersteigs fehlten Steine, die Blumenbeete quollen vor Müll über. Selbst der Schnee, der die letzten Stunden seinen weißen Schleier über die Stadt gelegt hatte, konnte es nicht übertünchen: Das Viertel war und blieb heruntergekommen. So wie die Gestalten, die sich einen Block weiter nahe dem Kottbusser Tor trafen und die ein wahres Sammelsurium gestrandeter Existenzen darstellten: Obdachlose, Junkies, Drogendealer.
    »Sieh mal!«, sagte Muth.
    Ein kleiner Junge stapfte durch den Schnee zu der Sozialeinrichtung. Als auch sein Klingeln ungehört blieb, trottete er missmutig in Richtung U-Bahn-Station davon.
    Kalkbrenner öffnete die Fahrzeugtür.
    »Was hast du vor?«
    »Wonach sieht es denn aus?«
    Er band sich seinen Mantel enger um den Leib, aber auch das schützte ihn nicht vor der Kälte. Seine Handschuhe hatte er im Wagen vergessen, sodass er schon nach wenigen Metern seine Finger nicht mehr spürte und sie abwechselnd massierte. Seine Kollegin schloss zu ihm auf.
    Sie folgten dem Jungen zum U-Bahnsteig, wo sich Muth bei Kalkbrenner unterhakte. Irritiert schaute er sie an, aber sie lächelte. »Sobald die einen Polizisten riechen, verpissen die sich. Hat das nicht der Sozialarbeiter gesagt?«
    Der Junge nahm die U8 in Richtung Hermannplatz. Kalkbrenner und Muth stiegen in den Nachbarwaggon ein. Die Heizungen im Zug waren bis zum Anschlag aufgedreht; es war so warm wie im Sommer. Nur die verschnupften Menschen, die sich dick eingemummelt hatten, ließen auf die richtige Jahreszeit schließen.
    Sechs Sitze entfernt balancierte eine Frau zwei prall gefüllte, große Plastiktüten eines Discounters auf dem Schoß. Ein Geschäftsmann im Anzug und mit weißen iPod-Kopfhörern im Ohr stand nahe an der Waggontür, klammerte sich an seine Aktentasche und blickte durch Kalkbrenner hindurch. Eine türkische Mutter, ihr Haar unter einem Kopftuch verborgen, hielt ihre Tochter an der Hand, und ein Penner mit zotteligem Bart und einer Fahne, die einem beim Näherkommen den Atem raubte, hatte sich schnarchend auf dem Zugboden niedergelassen. Dass der Matsch seinen Hosenboden durchnässte, schien ihm in seinem Rausch nichts auszumachen.
    Dann kreischten die Bremsen, der Wagen ruckelte, und der Zug fuhr in den Bahnhof Leinestraße ein. Kunstlicht flutete durch den Waggon, der Geschäftsmann mit der Aktenmappe machte eine Vierteldrehung hin zur Tür, und der Betrunkene erwachte. »Habt ihr ’nen Euro?«
    Im nächsten Wagen verließ der Junge die U-Bahn. Kalkbrenner fand auf die Schnelle zwei Münzen in seiner Jackentasche, warf sie dem Penner zu, dann folgten sie dem Jungen. Muth hatte ihre Hand noch immer auf seinem Unterarm platziert.
    Der Niederschlag hatte eine Pause eingelegt, doch die Kälte ließ die Beamten kurz zurückweichen, als sie ins Freie traten.
    In der Schillerpromenade, einer Querstraße zur Leinestraße, steuerte der Junge auf ein Ladenlokal zu. Die Leuchtreklame war abmontiert, verrostete Nägel ragten aus der Wand, und das große, raumhohe Schaufenster war mit Tüchern verhangen. Von außen konnte man nur einige Poster sehen, die innen an der Scheibe klebten. Hinter der Tür erklang das Geräusch von jugendlichem Herumgealber.
    Die beiden Beamten

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