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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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Einzelhändler in der Nähe hat nichts ergeben. Den Leuten fallen die Herumtreiber und Streuner im
Saturn
zwar immer wieder auf, aber niemand hat auf sie geachtet. Sie sind halt einfach da: Kids, die auf der Straße abhängen.«
    Dr. Babicz fühlte sich zu einem Resümee berufen. »Wir haben es also mit drei Männern zu tun, die in Zusammenhang mit zwei missbrauchten Kindern stehen.«
    »Genau, Kindern, nach denen kein Hahn kräht«, präzisierte Muth.
    »Also, ich muss doch bitten«, kritisierte Dr. Salm sofort. »Manuel ist nun wirklich kein Junge gewesen, nach dem kein …«
    »Nein, natürlich nicht«, kam der Psychologe der jungen Kriminalkommissarin zu Hilfe, »aber dummerweise hat er sich genau in diesen Kreisen aufgehalten.«
    »Dieser Szene«, fügte Muth erklärend hinzu.
    Babicz wechselte einen Blick mit ihr. »Ich vermute, Sie denken das Gleiche wie ich?«
    »Nämlich?«, fragte Dr. Salm gereizt. Er fühlte sich ausgeschlossen.
    »Radomski war schwul«, sagte Muth.
    Der Dezernatsleiter verschluckte sich empört. »Was hat das denn jetzt damit zu tun? Das wissen wir doch schon.«
    »Es ist ein, na ja, offenes Geheimnis, dass viele Ausreißerkids bei schwulen Männern landen, die …« Sera Muth hielt kurz inne.
    »Das ist doch nicht Ihr Ernst?«, warf Dr. Salm entsetzt ein.
    »… bestimmte Vorlieben haben«, beendete die Beamtin den Satz.
    Babicz nickte. »Unter Umständen haben wir es mit einer ganz bestimmten Szene zu tun, in der ich mich aber nicht auskenne. Dafür gibt es Experten. Ich für meinen Teil denke, dass der Mörder höchstwahrscheinlich genau diesem Milieu entstammt. Möglicherweise ist er dort sogar schon in der Vergangenheit in Erscheinung getreten – als ein Mann, der gewalttätig war oder ein anderes auffallendes Verhalten an den Tag gelegt hat.«
    »Oder sogar bereits Morde beging«, ergänzte Kalkbrenner. »Weshalb Fielmeister und Radomski sterben mussten, möglicherweise sogar Schulze.«
    Dr. Salm raufte sich die Haare. »Sie meinen, weil sie alle dieser Szene angehörten?«
    »Und weil sie dem Mörder auf die Schliche gekommen sind«, sagte Muth.
    »Das wiederum würde bedeuten«, Kalkbrenner sah den Psychologen Rat suchend an, »dass es nur ein Zufall war, wo und wie wir Manuels Leiche entdeckt haben. Der Mörder würde demnach auch nicht unter Druck stehen. Denn wenn er mögliche Zeugen aus dem Weg räumt, und darauf deutet alles hin, dann ist unsere Theorie, dass er gefunden werden will,
falsch.«
    »Stimmt«, räumte Babicz betroffen ein. »Dann hätte ich mich geirrt.«
    »Und was heißt das jetzt genau?« Dr. Salms Gesicht war ein großes Fragezeichen. »Wie hilft uns das weiter?«
    »Für den Moment«, Babicz zuckte resigniert mit den Schultern, »gar nicht.«
    »Aber ich kenne jemanden, der Licht ins Dunkel bringen kann.« Kalkbrenner erhob sich.

133
    Ludwigs Stimme tönte aus der Diele. Er war gerade erst heimgekommen. »Bist du fertig? Wir sollten uns jetzt auf den Weg machen.«
    Tabori räkelte sich unter der Decke. Ihm ging es besser als noch am Morgen. Sogar Hunger verspürte er wieder. »Wir essen?«
    »Leider nicht. Dazu fehlt uns die Zeit.«
    Die Standuhr zeigte fast vier Uhr nachmittags. »Aber … habe Hunger.«
    »Was ist dir wichtiger: Essen oder Ryon zu treffen?«
    Wenn die Sache sich so verhielt … Aufgeregt tauschte Tabori Jogginghose und Kapuzenshirt gegen Jeans und Pullover. Mit den erstbesten Turnschuhen an den Füßen, die ihm in Fritz’ Schrank zwischen die Finger gerieten, machte er sich auf den Weg zur Wohnungstür.
    »Nimmst du dein Radio nicht mit?«, fragte Ludwig.
    Tabori hielt in der Bewegung inne, mit der er sich gerade die Daunenjacke überstreifen wollte. »Radio?«
    »Wir sind einige Zeit unterwegs. Willst du keine Musik hören?«
    »Nein.«
    »Na los, jetzt nimm das Radio schon mit.«
    »Nein danke.«
    »Na gut, wie du willst. Aber jetzt sollten wir uns wirklich auf den Weg machen.«
    Durch den Schneesturm kämpften sie sich zum S-Bahnhof vor, von wo die Bahn sie einmal quer durch Berlin kutschierte. Während der Fahrt wechselten sie kein Wort miteinander, aber das störte Tabori nicht. In Gedanken bereitete er sich schon auf das Treffen mit Ryon vor. Ob sein Cousin sich ebenso sehr auf das Wiedersehen freute wie er? Ging es ihm gut? Was hatte er erlebt? Sie würden sich so viel zu erzählen haben.
    Am Bahnhof Westkreuz,
der aus heruntergekommenen Bahnsteigen bestand, die im Schneegestöber besonders trist wirkten, stiegen sie aus

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